Der Mythos „Wassersparen“

Viel wird hierzulande über die Knappheit der Ressource Wasser diskutiert. Häufig emotional, meistens gutwillig, nicht immer fundiert, manchmal auch unsachlich. Die Protagonisten blicken nach Südeuropa oder in von Dürre bedrohte Länder in anderen Regionen der Welt. Wenn Wasser dort knapp ist, dann darf man hierzulande ruhig sparen. Dabei wird zumeist verkannt, dass Wasser in den meisten Regionen Deutschlands in ausreichendem Maße vorhanden ist. 81 Prozent des Wasserdargebotes bleiben ungenutzt. Daher ist in weiten Teilen Deutschlands der Begriff Wasserknappheit auch angesichts stark rückläufiger Nachfrage sicher ein Fremdwort. Daran wird sich nach Meinung der Experten auch durch Klimawandel nichts ändern. Dürre wird in Deutschland nicht zu befürchten sein, sagen auch die Prognosen der europäischen Umweltagentur.

Warum Wasser sparen Sinn macht

Wir Deutschen sind erfolgreiche Wassersparer. Noch vor 20 Jahren wurden in deutschen Haushalten täglich 147 Liter je Person Trinkwasser verbraucht. Dank erfolgreicher Sparanstrengungen ist der Durchschnittsverbrauch auf nur noch 121 Litern täglich gesunken. Bundesweit ist die Tendenz weiter rückläufig. Da könnte man meinen, das Ende der Fahnenstange sei beim Wassersparen schon erreicht. Und trotzdem gibt es Regionen wo sogar die 100 Liter-Grenze unterschritten wird, wie beispielsweise in Sachsen mit etwas über 80 Liter täglich.

Auch wenn der Erfolg des Wassersparens nicht immer deutlich in der Geldbörse sichtbar wird, kann sich ein sorgsamer Verbrauch trotzdem auszahlen. Die soll an einem Beispiel-Haushalt in Mülheim an der Ruhr verdeutlicht werden. Ein Zweipersonen-Haushalt verbraucht durchschnittlich 242 Liter täglich. Bei einer Reduzierung des Wasserverbrauchs um 10% spart dieser Haushalt zunächst einmal natürlich seine Wasserkosten. Ein weiterer Sparerfolg kommt hinzu: Energie. Der Zweipersonen-Haushalt erwärmt täglich etwa 130 Liter Wasser für das Wäsche waschen, Geschirr spülen, Duschen, Baden und die Hygiene. Dafür wird Energie benötigt.

Wo liegen die Ersparnisse?

Was sich dabei sparen lässt, verdeutlicht die folgende Rechnung: Um einen Liter Wasser um ein Grad zu erwärmen, benötigt man 0,00116 kWh Energie. Um die benötigten 130 Liter auf durchschnittlich 35 Grad Celsius zu erwärmen, verbraucht der Haushalt jährlich bei entsprechender Ausgangstemperatur etwas mehr als 1.700 Kilowattstunden. Damit entfallen bei der jährlichen Stromrechnung allein 490 € auf das Erwärmen von Wasser. Hinzu kommen für die Abwassermenge noch 240 € für Abwassergebühren und 110 € für den Trinkwasseranteil, also insgesamt 840 € allein für das erwärmte Wasser. Wird nun durch den Austausch von Geräten und Armaturen sowie Wassersparen der Warm-Wasserverbrauch um 10% gesenkt, wirkt sich das merklich auf das Haushaltsbudget aus. Dieses wird im Beispielfall um 84 Euro entlastet. Etwa 63 % der Ersparnis entstehen in der Stromrechnung, 25% bei den Abwassergebühren und nur 12% bei den Wasserkosten.

Es gibt auch einen Aspekt für die Umweltbilanz des Haushalts: mit jeder eingesparten Kilowattstunde entstehen 601 Gramm weniger Kohlendioxid. Somit entlastet der Warmwasser sparende Haushalte seine Ökobilanz jährlich um etwa 105 Kilogramm Kohlendioxid. Die Beispielrechnung zeigt, dass im Hinblick auf den Ressourcenschutz die Verringerung des Verbrauchs von Warmwasser weitaus wichtiger ist, als das Sparen von Kaltwasser. Somit bietet die Energieeffizienz beim Wassersparen den zentralen Anreiz zum Ressourcenschutz. Angesichts der verfügbaren Wasservorräte in Deutschland verringert sich ehedem der Stellenwert des Wassersparens für den Ressourcenschutz.

Versorgungssysteme sind groß, dürften aber nur schwerlich verkleinert werden

Welche Auswirkungen hat diese Erkenntnis jetzt auf die Wasserversorgung? Das anhaltende Wassersparen hat unter Kostengesichtspunkten nicht nur Vorteile. Denn die auf Verbrauchsschätzungen der 90er Jahre gebauten Versorgungssysteme haben sich in Folge des Wassersparens und des demografischen Wandels als zu groß herausgestellt. Die Folgen sind, dass wegen des Vorhalten der Systeme gleich hoch bleibende Kosten auf weniger Menge verteilt werden müssen. Steigende Preise sind die nahezu unausweichliche Folge. Viele Versorger begegnen den drohenden Kostenunterdeckungen oder steigenden Preisen durch Umstellung ihrer Preissysteme. Um Preisstabilität zu sichern und Vorhaltekosten auch in den Entgelt abzubilden, müssen die mengenunabhängigen Preisbestandteile (Grundpreis oder Systempreis) angehoben und im Gegenzug der Mengenpreis gesenkt werden. Eine ansonsten unvermeidliche Preisspirale könnte gebremst werden.
Eine solche Tarifumstellung hat der Mülheimer Wasserversorger RWW Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mit seinem neuen Tarifsystem der zum 2012 vollzogen. Der neu eingeführte Systempreis deckt jetzt 50% statt der bisherigen 20% Fixkosten ab. Im Gegenzug wurde der Mengenpreis von 80% auf ebenfalls 50 % gesenkt. Auch wenn die Kunden die Umstellung grundsätzlich akzeptiert haben, so hat die Mengenpreisabsenkung doch Besorgnisse bei solchen Kunden ausgelöst, die durch Wassersparen auch Geld sparen wollen. Wie die obige Beispielrechnung zeigt, ist diese Besorgnis unbegründet. Denn auch zukünftig werden sich die Maßnahmen und Anschaffungen der Wasserkunden zur Verringerung des Wasserverbrauchs in Haushalten selbst bei geringeren Mengenpreisen weiter lohnen. Die Ersparnisse bei den Abwassergebühren und den Energiekosten sind nämlich deutlich lukrativer als bei den Wasserkosten. Die Anreize Wasser zu sparen dürften angesichts dieser wirtschaftlichen und ökologischen Entlastungen also auch weiterhin groß genug sein.

Weiterführende Informationen:

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