Umweltministerin warnt: Oberrhein weiterhin stark mit Nitrat und Pflanzenschutzmitteln belastet

Auch wenn die Trockenheit und regionale Wasserengpässe die Medien beherrschen, die Qualität unserer Gewässer verdient mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit. Der ausbleibende Regen verschärft zudem das Qualitätsproblem. Damit nimmt der Handlungsdruck auf die Umweltpolitik unaufhörlich zu. Der soeben vorgelegte Bericht eines länderübergreifenden Schadstofffmonitorings am Oberrheingraben offenbart besorgniserregende Beeinträchtigungen der Gewässerressourcen. Die Herausforderungen müssen lokal angegangen werden, um sie länderübergreifend zu bewältigen.

In allen untersuchten Schadstoff-Gruppen Überschreitungen der Grenz- oder Orientierungswerte

Anläßlich der Vorstellung der Ergebnisse des länderübergreifenden Projekts „Entwicklung der Ressource – Monitoring des Eintrags von Spurenstoffen in das Grundwasser des Oberrheingrabens“ (ERMES-Rhein) beklagte die rheinland-pfälzische Umweltministerin Ulrike Höfken, dass im Vergleich zu den Messwerten aus den Jahren 2009 und 2016 keine Verbesserung zu verzeichnen sei und sogar in allen untersuchten Schadstoff-Gruppen wie Nitrat, Pflanzenschutzmittel, Medikamentenrückstände zum Teil stärkere Überschreitungen der Grenz- oder Orientierungswerte festgestellt wurden. „Auch in Rheinland-Pfalz gibt es Gebiete wie die Vorderpfalz, die weiterhin stark mit Nitrat oder Pflanzenschutzmitteln belastet sind“, erklärte die Ministerin, „Die Einträge sind zum einen auf intensive landwirtschaftliche Nutzung, zum anderen auf Einträge über die Kläranlagen aus der Industrie und auch Privathaushalten zurückzuführen. Der Klimawandel, der in Rheinland-Pfalz bereits zu geringeren Grundwasserneubildungsraten geführt hat und noch stärker führen wird, verschärft die Situation. Das kann nur eines bedeuten: Wir dürfen nicht nachlassen in den Anstrengungen, Nitratausbringung und Pflanzenschutzmittelanwendungen weiter zu reduzieren. Die Erhöhung des Anteils der ökologischen Landwirtschaft wird dazu einen wichtigen Beitrag leisten.“

Oberrheingraben versorgt Millionen Menschen mit Trinkwasser

Für die Versorgung mit Trinkwasser hat die Verbindung zwischen der Grundwasserbildung und den Einträgen von Schadstoffen allergrößte Bedeutung. Dort, wo weniger Wasser fliesst, können sich Einträge aus Kläranlagenzmläufen oder landwirtschaftlichen Flächen aufkonzentrieren. Mancher Grundwasserbrunnen könnte dann unbrauchbar werden. Dies betonte auch die Ministerin: „Neben der Gefährdung von Lebensräumen und der Artenvielfalt hat dies alles auch einen Einfluss auf das Grundwasser: Da die belasteten oberflächennahen Grundwasserleiter nicht mehr zur Trinkwassergewinnung genutzt werden können, musste hier in Rheinland-Pfalz bereits auf noch unbelastete tiefere Grundwasserleiter oder die Gewinnung von Uferfiltraten umgestellt werden“, sagte Höfken. In ganz Rheinland-Pfalz sind 38 Prozent der Grundwasserkörper in einem schlechten chemischen Zustand, im Untersuchungsgebiet am Oberrheingraben sind es rund Zweidrittel. „Trinkwasser ist lebensnotwendig – wir haben hier eine große Verantwortung gegenüber den nächsten Generationen. Der Trend darf sich nicht fortsetzen. Denn je aufwändiger Schadstoffe über Aufbereitungstechniken aus belastetem Rohwasser entfernt werden müssen, desto mehr spüren wir dies als Gebührenzahler. Die Trockenheit und der Einfluss auf unsere Grundwasser sollten uns erneut eine Warnung sein: Wir müssen unser Klima schützen, wir müssen unserer Klimaziele hier in Rheinland-Pfalz, in Deutschland und international einhalten.“

Der Oberrheingraben ist einer der bedeutendsten Grundwasserspeicher Europas. Dieser Grundwasservorrat ist die gemeinsame Ressource von Elsass, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Hessen und den Kantonen Basel-Stadt und Basel-Landschaft und für die Entwicklung der gesamten Region von außerordentlicher Bedeutung, denn die Versorgung mit Trink-, Brauch- sowie Bewässerungswasser hängt weitgehend von diesem Vorrat ab. Aufgrund des Fehlens einer schützenden Gesteinsschicht und der geringmächtigen Überdeckung ist die Ressource besonders anfällig gegenüber anthropogenen Schadstoffbelastungen.

Untersuchung neuartiger Spurenstoffe

Gegenstand des Projekts ERMES-Rhein 2016 ist die Fortsetzung des Monitorings der Qualität des Grundwassers im Oberrheingraben, das eine bedeutende Ressource für die Bevölkerung dieser grenzüberschreitenden Region darstellt. Erstmals wurden auch sogenannte „neuartige“ Spurenstoffe in diesem Maßstab untersucht. Dabei handelt es sich um die Abbauprodukte von Pflanzenschutzmitteln, pharmazeutische Substanzen, Nahrungsergänzungsmittel und andere Chemikalien, die in Industrie und Haushalten häufig verwendet werden.

Trinkwassergrenzwertüberschreitungen (Q. ERMES Rhein, Seite 40)
Trinkwassergrenzwertüberschreitungen (Q. ERMES Rhein, Seite 40)

Im Rahmen des Projekts wurden 172 Parameter an über 1.500 Messstellen von Basel bis Mainz analysiert. Die Bestandsaufnahme knüpft an eine über 20-jährige Zusammenarbeit an und leistet einen wichtigen Beitrag zur besseren Kenntnis der Beschaffenheit des Grundwassers im Oberrheingraben im Hinblick auf bekannte und neuartige Belastungen; sie versteht sich als Hilfestellung für die mit dem Grundwasserschutz beauftragten Einrichtungen.

An fast jeder zweiten Messstelle werden die Kriterien der Trinkwasserqualität verfehlt

Die Untersuchungen ergaben ein breites Spektrum von Schadstoffen anthropogenen Ursprungs im Grundwasser. Drastisch sind die Ergebnisse: Bei wenigstens einem der gemessenen Parameter erfüllten 44 Prozent der Grundwassermessstellen im Oberrheingraben die gemeinsamen Kriterien für Trinkwasserqualität nicht, und im Vergleich zu 2009 ist keine Verbesserung der allgemeinen Grundwasserbeschaffenheit festzustellen. Aber es geht nicht nur um einzelne Stoffe. Der Bericht empfiehlt auch im Rahmen eines noch umfassenderen Grundwasserüberwachungsprogramms bei der Ergebnisinterpretation soweit es der zukünftige Kenntnisstand gestattet den „Cocktail-Effekt“ zu berücksichtigen. Dieser Effekt tritt ein, wenn im Grundwasser gleichzeitig mehrere Schadstoffe vorhanden sind, durch deren Zusammenwirken sich die Toxizität der einzelnen Substanz möglicherweise vervielfacht. Die gesundheitlichen Auswirkungen solcher Stoffmischungen sind derzeit noch sehr wenig bekannt.

Q: Zusammenfassung ERMES Rhein
Q: Zusammenfassung ERMES Rhein

Dass sich Verbote positiv auswirken, zeigt das Beispiel Atrazin. Das Pflanzenschutzmittel wurde aufgrund der verschiedenen Verbotszeiträume in Deutschland und Frankreich in unterschiedlichen Konzentrationen nachgewiesen wurde. „Damit“, so schlussfolgern die Autoren des Abschlussberichts, „sei die Wirksamkeit von Anwendungsverboten von Pflanzenschutzmitteln bereits sichtbar.“

Wir müssen umgehend handeln, sonst graben wir uns das Wasser ab

„Die Grundwasservorräte stellen einen großen Reichtum für unser Gebiet dar; wir dürfen nicht vergessen, dass es gilt, dieses kostbare Gut im Interesse aller zu schützen. Um die damit verbundenen großen Herausforderungen zu meistern, liegt es in unser aller Verantwortung, diese Aufgabe effizient und koordiniert in Angriff zu nehmen“, ruft Frédéric Pfliegersdoerffer, als Präsident der APRONA, einem Mitherausgeber des Berichts, die Politik, Industrie, Landwirtschaft und Verbraucher zum Handeln auf.

Was muss den noch passieren, ehe eine konsequente Politik die Verantwortung übernimmt. Wasser läßt sich nicht ersetzen. Die Reinigung, um aus verunreinigten Ressourcen Trinkwasser zu produzieren, verschlingt Millionen. Wenn die Preise und Gebühren steigen, sind es dieselben Politiker, die dagegen opponieren. Der Klimawandel wird das Problem verschärfen. Der Begriff „Klimawandel“ kommt in dem Bericht nicht einmal vor, das dürfte sich ändern, wenn in 2022 die nächste Ausgabe ansteht. Womöglich sind dann aber schon viele Brunnen nicht mehr im Betrieb – weil das Wasser fehlt oder unbrauchbar ist. Dann dürften die Folgen von Trockenheit und damit einhergehender Aufkonzentration von Schadstoffen auf die Trinkwasserqualität überdeutlich geworden sein. Für ein Gegensteuern ist fast schon 5 nach 12.

Quellen

  • Website der ERMES Rhein (mit zahlreichen Berichten und Datenblättern)
  • Erklärung der rheinland-pfälzischen Umweltministerin zur Veröffentlichung des Berichts
  • Abschlussbericht ERMES Rhein

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