Right2CleanWater. Schweizer kämpfen für ihr sauberes Trinkwasser

Wer hätte gedacht, dass die Schweizer unglücklich mit ihrem Trinkwasser sein könnten. Die ganze Welt glaubt, das Land von „Heidi“ hat hohe Berge, viel unberührte Natur und natürliches Quellwasser. Die Realität scheint anders zu sein. Seit Jahren prangern Umweltschützer und Blogger wie „Heidi’s Mist“ die unnatürlichen Miss(t)stände in der Landwirtschaft und in der Politik der Alpenrepublik an. Jetzt soll ein Volksbegehren für Trinkwasser für sauberes Wasser sorgen. Was „right2water“ in der EU war, dürfte die „Trinkwasser-Initiative“ in der Schweiz werden. Die von 114.420 Unterschriften und über 40 Schweizer Organisationen unterstützte Initiative setzt sich für einen konsequenten vorsorgenden Gewässerschutz ein. „Wir wollen dafür sorgen, dass Stoffe die unsere Gewässer und das Trinkwasser verschmutzen, gar nicht erst in den Wasserkreislauf gelangen und somit auch nicht mehr aufwendig aus dem Wasser genommen werden müssen“, erklärt die Initiatorin Franziska Herren. Nur noch Landwirtschaftsbetriebe sollen Direktzahlungen erhalten, die auf den Einsatz von Pestiziden und vorbeugend verabreichte Antibiotika verzichten. Der nachfolgende Beitrag stellt die Initiative vor und läßt die anderen Stakeholder zu Wort kommen. (Beitragslänge 1.400 Wörter – Lesezeit 5 -6 Minuten) 

Das, was wir zum Leben brauchen, können wir nicht aus dem Bankomat herauslassen. 
Franziska Herren, Initiatorin 

„Wir subventionieren unsere eigene Wasserverschmutzung“

Während hierzulande der Glyphosat-Alleingang des Landwirtschaftsministers Schmidt nachwirkt und die Nitrat-Vermeidung nur halbherzig in der Gesetzgebung Einzug gehalten hat, will eine Schweizer Initiative auf klare Lösungen. Die Zeit drängt, denn die Politik des Alpennachbarn diskutiert eine Erhöhung des Glyphosat-Grenzwertes um das 3.600-fache.

Die Initiatoren wollen die Bauern mit ökonomischen Anreizen zu wasserschonendem Landwirtschaft bewegen und „wasserschädliches Fehlverhalten“ sanktionieren. Gemäss dem Initiativtext soll das bäuerliche Einkommen nur noch unter der Voraussetzung eines ökologischen Leistungsnachweises durch Direktzahlungen ergänzt werden. Dieser umfasst die Erhaltung der Biodiversität, eine pestizidfreie Produktion und einen Tierbestand, der mit dem auf dem Betrieb produzierten Futter ernährt werden kann.

Landwirtschaftsbetriebe, die Antibiotika in der Tierhaltung prophylaktisch einsetzen und deren Produktionssystem einen regelmässigen Einsatz von Antibiotika nötig macht, sollen nach den Forderungen der Initiative ebenfalls von Direktzahlungen ausgeschlossen werden. Auch die landwirtschaftliche Forschung, Beratung und Ausbildung sowie Investitionshilfen sollen nur noch mit Bundesgeldern unterstützt werden, wenn sie einen wirksamen Beitrag an eine konsequent nachhaltige Landwirtschaft leisten.

 

 

 

 

 

Durch Pestizide und Intensivtierhaltung wird Trinkwasser gefährdet

Die Pestizidbelastung von Oberflächengewässern soll bekämpft werden. Hauptquelle der Belastungen sei die Landwirtschaft, so die Initiative. Statt die Umweltbelastungen gesetzeskonform zu beseitigen, toleriere und fördere der Bund seit Jahren Gesetzesverstöße. Statt das Problem des hohen Pestizid-Einsatzes zu lösen, erhöhe der Bundesrat die gesetzlichen Grenzwerte für die meisten Pestizide und gefährde damit das Trinkwasser.

Das Initiativkomitee weist auch auf das Problem der stark überhöhten Nutztierbestände hin, deren Haltung nur durch enorme Futtermittelimporte möglich sei. Durch die intensive Tierhaltung entstehe das Umweltgift Ammoniak, das zu Überdüngung von Gewässern, Mooren und Wäldern führe und die Lungen der Menschen belaste. Die Schweiz als Alpenland weise europaweit die zweithöchsten Ammoniak-Emissionen auf. Zu den grössten Bedrohungen für die Gesundheit der Bevölkerung zählen die antibiotikaresistenten Bakterien. Trotzdem werde und dürfe in der Schweizer Nutztierhaltung weiterhin prophylaktisch Antibiotika eingesetzt werden.

Die „Trinkwasser-Initiative“ ist das erste Projekt des Vereins „Sauberes Wasser für alle“

Der Verein „Sauberes Wasser für alle“ setzt sich dafür ein, dass Stoffe, die Gewässer und Trinkwasser verschmutzen, gar nicht erst in den Wasserkreislauf gelangen und somit auch nicht mehr aufwändig aus dem Wasser entfernt werden müssen. Zugleich will er Bewusstsein für die Folgen der Wasserverschmutzung in der Schweiz und weltweit schaffen. Als Leitgedanke auf den Punkt gebracht: „Gesunde Erde – gesunde Lebewesen.“

Was sagen die Schweizer Wasserversorger?

Der SVGW begrüsst das Ziel der Initiative, das Trinkwasser vor Verschmutzung zu bewahren. Er hofft, dass die Initiative dazu führt, dass das Bewusstsein für den Druck, der auf den Trinkwasserressourcen lastet, erhöht wird. Der SVGW unterstützt die Initiative aber nicht aktiv. „Die Schweizer Wasserversorger wollen Verbesserungen, aber keine Konfrontation mit den Landwirten“, so könnte man die Stellungnahme des SVGW zusammenfassen, der als Verband die Versorgungswirtschaft vertritt. Paul Sicher, der Kommunikationschef, erklärt auf meine Anfrage: „Die Trinkwasserqualität in der Schweiz ist heute unbestritten sehr gut. Es werden aber zunehmend in den Trinkwasserressourcen (Grundwasser) Fremdstoffe wie Pestizide festgestellt. Langfristig betrachtet sind wir über diese Befunde bzw. den Trend beunruhigt. Es braucht zweifelsohne  Massnahmen zum Schutze der Trinkwasserressourcen!“

“Als Trinkwasserverband und damit als Hüter der Trinkwasserqualität sind wir sehr an einem sauberen Grundwasser interessiert, dafür setzen wir uns auch ein. 80% des Trinkwassers wird in der Schweiz aus Grundwasser gewonnen. Daher haben wir Sympathien für die Ziele der Initiative und begrüssen es, dass die Thematik Pestizide und Gewässerschutz nun öffentlich diskutiert wird. Wir möchten aber den Landwirten nicht vorschreiben, wie sie zu produzieren haben (Wir sind Wasserexperten, keine LW-Experten), wir pochen aber darauf, dass die Bewirtschaftungsformen so gewählt werden, dass wir auch in 100 oder 500 Jahren noch einwandfreies Trinkwasser natürlich und ohne nennenswerte Aufbereitung gewinnen und der Bevölkerung abgeben können.“

Franziska Herren auf die Stellungnahme angesprochen, reagiert irritiert und erklärt, „die Haltung des SVGW sehr bedenklich und erschreckend, denn die Landwirtschaft verstösst gegen das Gewässerschutzgesetz und dies sollte von der SVGW nicht toleriert werden. Eigentlich wäre es die Aufgabe des SVGW sich dafür einzusetzen, dass die Gesetze eingehalten werden und die Landwirtschaft das Wasser nicht verschmutzt und nicht die Aufgabe der Bevölkerung.“

Der Schweizer Bauernverband ist gegen die Initiative, aber für sauberes Trinkwasser

Der Schweizer Bauernverband (SBV) lehnt die Initiative ab. Die Streichung der Direktzahlungen für Betriebe, die Pflanzenschutzmittel einsetzen, würde die pflanzliche Produktion in der Schweiz extrem einschränken und den Anbau von Kulturen wie Gemüse, Obst, Kartoffeln, Raps oder Zuckerrüben verunmöglichen, erklärt der Bauernverband in seiner Pressemitteilung. Denn mit der Initiative wäre nicht einmal mehr der biologische Anbau möglich, da auch dort Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen. Das gleiche gilt für Eier, Geflügel- und Schweinefleisch. Es sei auf der Mehrheit der Betriebe schlicht nicht möglich, das für diese Tiere benötigte Futter selber zu produzieren. Dafür seien ausreichend Ackerflächen in guten Lagen nötig, die den Anbau von ausreichend Protein- und Kohlehydratquellen zulassen. Die Bauern fürchten die Verdrängung einheimischer Produkte durch Importe, die zumeist unter schlechteren Bedingungen produziert würden.

Beim Gewässerschutz habe sich in den vergangen Jahren bereits viel verbessert, erklären die Landwirte. Die Qualität des Schweizer Trinkwassers sei auch im weltweiten Vergleich hervorragend. Im Sommer 2017 sei der „Nationale Aktionsplan Pflanzenschutz“ in Kraft getreten, der den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln senkt und deren negative Effekte anpackt. Die Schweizer Landwirtschaft habe diesen von Anfang an unterstützt, denn sie sei sich ihrer Verantwortung bewusst. Sie habe zudem kein Interesse daran, unnötig kostspielige Pflanzenschutzmittel einzusetzen oder durch nicht fachgerechte Anwendung deren Wirkung zu schmälern. Auch sie wolle sauberes Trinkwasser für alle.

Agrochemie-Industrie wirft Initiative Ignoranz vor 

Die Agrochemie-Industrie äussert sich über das eigene Institut Scienceindustries. Demzufolge sei die Forderung, es dürften nur noch Landwirte staatlich unterstützt werden, welche weder Pflanzenschutzmittel noch vorbeugend Antibiotika einsetzen, sei unsachlich, einseitig und sie ignoriere die Bedürfnisse der Landwirte wie der gesamten Bevölkerung. Antibiotika als Wachstumsförderer seien in der Schweiz bereits seit 1999 verboten. Ferner sei in der Schweiz seit April 2016 gesetzlich vorgeschrieben, dass Antibiotika nicht mehr prophylaktisch verschrieben werden dürfen. Ebenso erhalte kein Landwirt in der Schweiz Direktzahlungen, weil er Pflanzenschutzmittel einsetzt. Anna Bozzi, Dossierverantwortliche Agrar bei scienceindustries betont: „Wer weniger Pflanzenschutzmittel einsetzt, wird dafür belohnt. In der Schweiz gelten also bereits heute sinnvolle und sachgerechte Regeln, was den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Antibiotika angeht. Auch den Initianden müsste klar sein: Jede Art von Landwirtschaft – konventionelle wie auch biologische – ist auf Pflanzenschutzmittel angewiesen.“

Wie es weiter geht: Jetzt ist der Schweizer Bundesrat am Zug

Initiatorin Franziska Herren erklärt mir auf Anfrage, wie es weiter geht: „Zur Zeit werden die Unterschriften noch einmal von der Bundeskanzlei gezählt und spätestens in einer Woche sollten die Initiative dann als zustande gekommen erklärt werden. Dann wird sich der Bundesrat mit der Initiative befassen. Der Bundesrat unterbreitet der Bundesversammlung eine Botschaft zu jeder Volksinitiative die zustande gekommen ist. Dies geschieht spätestens 12 Monate nach der Einreichung der Volksinitiative. Legt der Bundesrat gleichzeitig einen direkten Gegenentwurf oder einen indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative vor, so gilt eine Frist von 18 Monaten. Mit der Botschaft beantragt der Bundesrat der Bundesversammlung einen Bundesbeschluss, in dem diese Volk und Ständen empfehlen soll, die Initiative anzunehmen oder abzulehnen.

Wer hat’s gemacht? Die Schweizer waren’s

Frei nach der Werbung eines Schweizer Süßwarenherstellers haben die Schweizer die Initiative für ihr eigentlich als Weltspitze wahrgenommenes Trinkwasser in die Hand genommen. Es ist ohne Frage bemerkenswert, welche Unterstützung diese Trinkwasserinitiative erreicht hat. Bedenkt man, dass die Schweiz etwa ein Zehntel der Bevölkerungszahl Deutschlands aufweist, wird der Erfolg mit 114.000 Unterschriften umso deutlicher. Ob die Forderungen berechtigt und umsetzbar sind, läßt sich nicht beurteilen, aber vieles spricht dafür. Die Erfahrungen hierzulande zeigen, dass es an der Zeit ist, mit den Landwirten in den kritischen Dialog zu gehen, auch wenn nicht alle „über einen Kamm geschoren werden dürfen“. Die Wasserwirtschaft hierzulande hat den direkten Weg gewählt und Nitrate auch auf die politische Agenda gehievt. Bei Glyphosat steht der letztendliche Erfolg noch aus. Der deutschen Politik mag die Schweizer Initiative eine Warnung sein, dass die Bürger ihre Sache in die Hand nehmen. Right2CLEANwater wäre nur noch eine Frage der Zeit…

2 Kommentare

  1. Als SVGW akzeptieren wir keine Verstösse des Gewässerschutzgesetzes. Wir setzen uns sehr für die Umsetzung der geltenden (und auch eine verschärfte) Gewässerschutz-Gesetzgebung ein, zum Bespiel in dem wir immer wieder zum Dialog einladen an Fachveranstaltungen mit allen Stakeholdern und auch Fachberichten in unseren Zeitschriften Aqua et Gas und Wasserspiegel veröffentlichen. Aber als Verband können wir nicht direkt für die Einhaltung der Gesetze sorgen. Das ist Aufgabe des Vollzugs.
    Zudem erwirkt man die Einhaltung der Gesetze erwirkt kaum über die Schaffung neuer Vorschriften.

  2. Lieber Siegfried
    Danke, dass du unsere Trinkwasser-Sorgen thematisierst. Wenn nur schon die Gesetze eingehalten würden, dann wäre wohl der Aktionsplan Pflanzenschutzmittel des Bundes bereits erfüllt.
    Immer wieder wird gesagt, dass der prophylaktische Einsatz von Antibiotika verboten sei. Das stimmt nicht. Der Bauer darf zwar selber nicht mehr einfach Antibiotika aus dem Schrank nehmen und prophylaktisch einsetzen, sondern der Tierarzt muss ihm einen prophylaktischen Einsatz gewähren. Also der Tierarzt, welcher den Bauern nicht verärgern will oder diesen Einsatz billigt, darf immer noch prophylaktisch Antibiotika verschreiben. Es ist nur ein bisschen komplizierter geworden.
    Grüsse aus den Bergen
    Heidi

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