Qual der Wahl: Neues Gebührensystem oder alte Kanalisation?

Deutschlands Abwasser-Infrastruktur braucht dringend eine Erneuerung. Anders als man vermuten mag, gilt dies nicht nur für die technischen Anlagen, sondern auch für die Gebührensysteme. Nicht nur die Zustände der Strassen, Brücken und Bahnstrecken weisen spür- und sichtbaren Sanierungsbedarf auf, auch die Kanalnetze altern verborgen im Untergrund. So sehr altern sie, dass die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall e. V. (DWA) schon 2009 hohen Sanierungsbedarf feststellte. Demnach weisen ein Fünftel aller Kanalhaltungen Schäden auf, die kurz- bis mittelfristig technisch zu erneuern waren. Eine andere Erneuerung betrifft die Gebührensysteme. Weil die Trinkwasserabnahme kontinuierlich sinkt, geht auch das Abwasseraufkommen zurück. Das ist zunächst mal ein gutes Ergebnis. Da bei der Berechnung der Abwassergebühren für Schmutzwasser aber auf die abgenommene Trinkwassermenge zurückgegriffen wird, sinkt auch das Gebührenaufkommen. Weil hierzulande Abwassergebühren für Schmutzwasser meistens ohne Grundgebühr (für Niederschlagswasser wurde diese mittlerweile überwiegend eingeführt) auskommen müssen und damit zu fast 100% variabel sind, d.h. von der bezogenen Trinkwassermenge abhängen, geht das Gebührenaufkommen mit rückläufiger Trinkwassernachfrage zurück. Und die sinkt bei vielen Versorgern um ein bis zwei Prozent – im Jahr. Damit sinkt auch das Gebührenaufkommen – wenn die Gebühren nicht von Jahr zu Jahr erhöht werden. Sinkendes Gebührenaufkommen bedeutet sinkende Finanzmittel für Kanalsanierungen und erst recht dann, wenn wie zur Zeit diskutiert, die Kläranlagen um eine 4. Reinigungsstufe erweitert werden. Da wir sicherlich nicht mehr Wasser verbrauchen werden, der Sanierungsbedarf nicht sinken wird, hilft nur eine Umstellung von Abwasser-Gebührensystemen auf höhere feste Entgelte, dann schmerzt auch der Nachfragerückgang nicht mehr. Also, statt mit immer weiter steigenden Gebühren, die Deckungslücken zu schliessen, könnte der verbrauchsunabhängige Anteil erhöht werden. Damit wäre die Finanzkraft für Sanierungsmaßnahmen gestärkt und die Gebühr stabilisiert.

Q: Siegfried Gendries
Q: Siegfried Gendries

Dass eine solche Umstellung funktionieren kann, belegen neue Trinkwasserpreissysteme. Das von RWW entwickelte und im eigenen Versorgungsgebiet umgesetzte Systempreismodell wurde auch in Krefeld, Aschersleben, Bestwig, Olsberg und Meschede umgesetzt. Dies bietet sich auch für Abwasser an (siehe Abbildung rechts). „Die Einführung einer Systemgebühr in Höhe von 50% und im Gegenzug Absenkung der variablen Mengengebühr auf ebenfalls 50%. Das könnte die Erfolgsformel auch für nachhaltige Abwasserfinanzierung sein. Da die Kosten des Abwassersystems (= Systemkosten) zu 90% fix sind, würde sich auch hierbei die Gebührenstruktur der Kostenstruktur annähern. Anreize zum sorgsamen Umgang mit Wasser bleiben erhalten. Natürlich müssen im Umstellungszeitpunkt Be- und Entlastungen möglichst ausgeglichen bzw. vermieden werden. Dazu bedarf es zwar aufwändiger Modellierungen, dafür laufen die Kunden anschliessend auch nicht dagegen Sturm. Damit lässt sich der Sanierungsbedarf stemmen, ohne dass die Gebühren immer wieder erhöht werden müssen. Denn auch der Bund der Steuerzahler NRW stellt fest: „In den vergangenen Jahren sind die Abfall- und Abwassergebühren für private Haushalte in Nordrhein-Westfalen kräftig gestiegen.“ Wenn die Finanzkraft fehlt, helfen eben nur Gebührensteigerungen oder werden die Kanalsysteme eben nicht saniert.

Wen das Dilemma bei den Abwassergebühren interessiert und mehr über die Ursachen wissen will, dem sei am 23. Februar dieNDR-Sendung 45 Minuten –  Kostenfalle Kanalisation“, um 22.00 Uhr empfohlen; dort wird übrigens auch der Systempreis erklärt. Wer nicht warten kann, dem wird der Link zur Sendung (klick hier!) oder der Beitrag bei YouTube empfohlen:

Fragen und Anregungen bitte an Lebensraumwasser@online.de

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