Politik-Interview: Grünen-Vorsitzender zur Wasserrechte-Erlaubnis des niedersächsischen Umweltministers

Der Sommer 2018 hat seine Spuren hinterlassen. Dem Vorwurf, sich nicht auf die Dürre vorbereitet zu haben, will sich in diesem Jahr zumindest Niedersachsens Landesumweltminister Olaf Lies nicht aussetzen. Vermutlich deshalb hat der SPD-Minister in der vergangenen Woche „proaktiv“ den niedersächsischen Landwirten zusätzliche Wasserrechte für die Bewässerung ihrer Flächen zugestanden – auch wenn sie ihre Wasserrechte schon ausgeschöpft hätten (siehe hier Lebensraumwasser).

Viele Experten sind sich einig, dass dies Einfluss auf die Ausgewogenheit der natürlichen Wasserbilanz haben wird. Ich habe dazu den Landesvorsitzenden von Bündnis 90/Die GRÜNEN in Niedersachsen, Hans-Joachim Janßen, befragt. Nachstehend das Interview mit dem GRÜNEN-Chef:

Frage Gendries: Ist dies aus Sicht der GRÜNEN in Niedersachsen der richtige Zeitpunkt für eine derartige Erklärung?

Antwort Janßen: Nein, die Erhöhung der max. zulässigen Entnahmemenge ist angesichts anhaltend geringer Grundwasserneubildung nicht nachhaltig und gefährdet die ausreichende Zulieferung für Grund- und Oberflächengewässer. Im Übrigen gibt es derzeit (überhaupt) noch keine echte Notsituation und ob der Sommer tatsächlich trocken wird oder nicht, kann noch niemand sagen. Von dieser Ankündigung des Umweltministers zum jetzigen Zeitpunkt geht das klare Signal aus, dass alles so weiter gehen kann wie bisher und das ist fatal: Wir müssen den Landwirten deutlich sagen, dass sie nicht mehr auf jedem Boden immer alles anbauen und das dann möglichst schon im April künstlich bewässern können. Wir brauchen vielmehr einen an die jeweiligen Standorte angepassten Pflanzenbau. Eine Beregnung landwirtschaftlicher Flächen muss wieder eine Ausnahme in besonderen Notsituationen werden und nicht der Normalfall.

Inwieweit berücksichtigt die Haltung des Umweltministers die Belange einer nachhaltigen Bewirtschaftung des Wassers in Niedersachsen?

Janßen: Eine nachhaltige Bewirtschaftung des Wassers in Niedersachsen wird durch diese Praxis konterkariert. Es ist vielmehr in einem Wasserversorgungskonzept zeitnah örtlich differenziert das Wasserdargebot, die Grundwasserneubildungsrate unter Berücksichtigung der Niederschlagsmengen und die daraus resultuierenden Mengen festzustellen, die ohne Beeinträchtigung von Grund- und Oberflächengewässern entnommen werden können. Anders als von der Landesregierung vorgesehen darf mit der Erstellung eines Nds. Wasserversorgungskonzepts nicht bis 2021 gewartet werden. Es muss so schnell wie möglich erarbeitet werden.  Klar ist: Wir können nur so viel Wasser entnehmen wie durch Regen nachkommt und müssen dabei berücksichtigen, dass auch unsere Bäche und Flüsse Wasser brauchen. Dabei muss die Trinkwasserversorgung für Mensch und Tier Priorität haben. Dahinter muss die landwirtschaftliche Bewässerung zurückstehen. Der Umweltminister tut aber so, als könnten die Bauern gerne ihre Beregnungsanlagen weiter aufdrehen und genau das geht nicht.

Erscheint es gerechtfertigt, die Verlängerung/Erweiterung der Bewässerungskontingente nicht an konkrete Vorgaben in Bezug auf die Effizienzsteigerung der landwirtschaftliche Bewässerung festzumachen?

Janßen: Nein, es ist vielmehr notwendig, die recht teuren Maßnahmen zur Effizienzsteigerung der Bewässerung zu bezuschussen und zumindest in Gebieten mit angespannter Grundwassersituation zur Voraussetzung einer Wasserentnahme zu machen. Steuerungsfunktion hätte im Übrigen eine Wasserentnahmegebühr für die landwirtschaftliche Bewässerung in gleicher Höhe wie für die öffentliche Wasserversorgung. Wenn das Wasser auch für die Bauern teurer wird, wird nur dort beregnet, wo es nicht anders geht.

Hans-Joachim Janßen
Landesvorsitzender Bündnis 90/Die GRÜNEN Niedersachsen

Welchen Stellenwert hat in diesem Kontext das in Bearbeitung befindlichen Wasserversorgungskonzept des Landes Niedersachsen bzw. braucht es, wie von der CDU gefordert, eine Wasserstrategie?

Janßen: Wie unter 2 erwähnt ist das Wasserversorgungskonzept des Landes so schnell wie möglich zu erstellen. Was die CDU mit ihrer Wasserstrategie meint, ist ja bisher ziemlich unklar.  Allerdings ist der Ansatz vom CDU-Vorsitzenden Althusmann zu kurz gesprungen, wenn er formuliert: „Ziel der niedersächsischen Wasserstrategie soll die gesicherte Trinkwasserversorgung auf der einen und die notwendige Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen auf der anderen Seite sein“ (Pressemitteilung der CDU Niedersachsen vom 26.04.2019). Die CDU versäumt hier völlig, einen intakten Naturhaushalt als Maßstab für eine angepasste Entnahme von Trink- und landwirtschaftlichem Beregnungswasser festzulegen. Wenn sie darunter allerdings versteht, dass wir z.B. Nadel- in Laubwälder umwandeln, um die Grundwasserneubildung zu erhöhen oder dass wir die Entwässerung zurückfahren, um den Niederschlag stärker in der Fläche zu halten, sind wir dabei. Das fordern wir Grünen schon lange.

Welche Folgen erwarten Sie aus der Freigabe der Kontingente zum Beispiel für die öffentliche Trinkwasserversorgung? 

Janßen: Das ist derzeitig nicht abschätzbar; allerdings ist davon auszugehen, dass zunächst der Naturhaushalt beeinträchtigt wird, indem z.B. Quellbereiche und Oberläufe von Oberflächengewässern temporär trockenfallen. Für die Ökologie der Fließgewässer und ihrer Auen ist das fatal. Mittel- und langfristig sind auch Probleme bei der Trinkwasserentnahme nicht auszuschließen.

Werden sich die Wasserbehörden dem Druck der Landwirtschaft widersetzen können, wenn die natürlichen Ressourcen bedroht sein sollten?

Janßen: Da braucht es klare Vorgaben vom Land, denn die Frage des Umgangs mit der Ressource Grundwasser kann nicht allein auf Kreisebene entschieden werden. Grundwasserkörper halten sich schließlich nicht an Landkreisgrenzen und gerade in der Nordheide haben wir ja auch erhebliche Grundwasserentnahmen für die Hansestadt Hamburg. Wenn die örtlichen Wasserbehörden bei ihren Auseinandersetzungen mit der Landwirtschaft vom niedersächsischen Umweltminister dann auch noch allein gelassen werden und großzügigere Vorgaben gemacht werden, geht das natürlich in die komplett falsche Richtung.

Was werden die GRÜNEN veranlassen?

Janßen: Entscheidend ist der Klimaschutz. Wenn wir da nicht endlich zu tragfähigen Lösungen kommen, werden wir nicht nur bei der Frage der landwirtschaftlichen Bewässerung massive Probleme bekommen, sondern weit darüber hinaus. Wir brauchen aber auch Klimaanpassung. In der Landwirtschaft bedeutet das den Einsatz wassersparender Bewässerungstechnik und den Anbau von Ackerfrüchten, die mit größerer Trockenheit besser klarkommen. Konkret hat die Nds. Landtagsfraktion zum Vorgehen des Umweltministers zunächst eine Anfrage im Landtag gestellt. Die Antworten sollen Klarheit über das Ausmaß der landwirtschaftlichen Entnahmemengen, die Auswirkungen auf Grund- und Oberflächenwasser und die Maßnahmen zur Förderung verlustarmer Bewässerungssysteme bringen. Von den Antworten wird das weitere Vorgehen abhängen. Allerdings hat die Landtagsfraktion der GRÜNEN Niedersachsen bereits im August 2018 einen umfangreichen Antrag unter dem Titel „Fokus Klima: Landwirtschaft nach Dürre und Hitzewelle nachhaltig neu ausrichten!“ in den Landtag eingebracht, der derzeit noch immer in der Beratung ist. Danach soll das Land unter anderem effizientere Bewässerungstechniken unterstützen und die Landwirte zum Anbau trockenresistentere Kulturen und verbessertem Humusaufbau beraten. Es ist dringend notwendig, dass auch die übrigen Fraktionen diesen Antrag unterstützen und er von CDU und SPD nicht weiter verschleppt wird.

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Es wird sich zeigen, inwieweit es berechtigt ist, bei dieser Haltung der niedersächsischen Landesregierung davon ausgehen zu dürfen, dass sowohl das Wasserversorgungskonzept des Landes wie auch die womöglich nachfolgende Wasserstrategie auf Basis fachlicher Einschätzungen und Erfordernisse erarbeitet werden. Im Hinblick auf die Erfordernisse des vorsorgenden Gewässerschutzes und die Versorgungssicherheit aller Nutzergruppen ist diese Vorgehensweise in jedem Fall alternativlos. Womöglich wird nach des Wahlkampfes zum Europäischen Parlament die Vernunft zurückkehren.

Weiterführendes

Antrag der GRÜNEN vom 14.08.2018 Fokus KlimaLandwirtschaft nach Dürre und Hitzewelle nachhaltig neu ausrichten

Kleine Anfrage der GRÜNEN zur kurzfristigen schriftlichen Beantwortung

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