NRW-Koalitionsvertrag kündigt Änderungen der Wasserpolitik an

Die Tinte des Koalitionsvertrages von CDU und FDP in NRW ist trocken. Damit sind auch die Weichen für die Wasser- und Umweltpolitik der nächsten Legislaturperiode gestellt. Soviel ist sicher: Vieles soll sich ändern. Die „grüne Handschrift“ wird an einigen Stellen durch eine „liberale“ ausgetauscht. Prinzipien, die das Handeln der schwarz-gelben Landesregierung im größten Bundesland bestimmen werden, beschreiben die Koalitionäre wie folgt:

  • Wir bekennen uns zum Schutz des Eigentums, mit dem Verantwortung untrennbar verbunden ist. Unsere Umweltverwaltung und der Einsatz öffentlicher Fördermittel sollen höchsten Ansprüchen an Effizienz genügen.
  • Die Grundsätze der Kooperation und der „freiwilligen Verbindlichkeit“ sollen – wo möglich – Vorrang vor Vorschriften haben.
  • Wir ziehen marktwirtschaftliche Anreize den Instrumenten des Ordnungsrechtes vor. Notwendige ordnungsrechtliche Vorgaben von Bund und EU wollen wir eins zu eins umsetzen und darüber hinaus gehende Regelungen nur im Einzelfall erlassen, wenn es besondere Erfordernisse des Landes ausdrücklich erfordern.

Was bedeutet dies in wasser- und umweltpolitischen Maßnahmen umgesetzt?

Die neue Landesregierung erklärt „Wasser ist unser wichtigstes Lebensmittel. Der Schutz des Wassers und der Gewässer in Nordrhein-Westfalen hat daher zentralen Stellenwert für unsere Umweltpolitik“. Diese Aussage unterscheidet sich nicht von anderen, dabei wird zukünftig stärker auf die Kooperation anstelle der Ordnungspolitik gesetzt.

Mehr wissenschaftlicher Sachverstand und Kooperationen bei Nitratbelastungen

Das Thema „Nitratbelastung im Grundwasser“ steht womöglich nicht umsonst ganz oben auf der Agenda, birgt es doch den größten Sprengstoff. Hier soll die Kooperation zum Zuge kommen und ausgeweitet werden. Versorger, die hier über Erfahrungen verfügen, dürften gesuchte Gesprächspartner der Politik werden. Der Koalitionsvertrag sagt hierzu: „Wir werden das Messstellennetz deshalb weiterentwickeln, um eine tragfähige Datenbasis für Gegenstrategien zu schaffen. Wissenschaftlichen Sachverstand, der sich mit den Ursachen und Gegenmaßnahmen beschäftigt, wollen wir noch stärker aktivieren. Wir werden das Erfolgsmodell der Wasserkooperationen zwischen Landwirtschaft und Wasserwerken stärken und schrittweise auf das ganze Land ausdehnen.“

4. Reinigungsstufe ist keine Option

Die Risiken beim Gebrauch von Medikamenten und ihre Auswirkungen auf Gewässer und Trinkwasser werden von den Koalitionären adressiert. Dabei soll Vorsorge Vorrang vor Beseitigung haben, was dem Grundsatz der Abfallwirtschaft entspricht. Daher soll der Fokus auf Eintragsvermeidungsstrategien gelegt werden. Für Aufmerksamkeit wird der folgende Satz sorgen: „Die flächendeckende Einführung einer 4. Reinigungsstufe für Kläranlagen, die drastische Gebührenerhöhungen nach sich ziehen würde, ist für uns keine Option. Wir werden vielmehr einen vielschichtigen Ansatz verfolgen, Schwerpunkte von Rückstandsaufkommen ermitteln und dort ansetzen.“ Man darf gespannt sein, was da kommen wird.

Hochwasserschutz auch mit Privatkapital intensiven 

Den zunehmenden Hochwasserrisiken – auch im Zuge des Klimawandels – soll durch einen Maßnahmenkatalog Rechnung getragen werden, im Zuge dessen die Anstrengungen beim technischen Hochwasserschutz intensiviert und beschleunigt werden und bei der Maßnahmenfinanzierung auch privates Kapital mit eingebunden wird. Nicht nur am Rhein, auch an kleineren Gewässern, die deutlich schneller von Starkregenereignissen betroffen sind, sollen die Absicherungen verbessert werden. Dabei sollen Warnsysteme und Abstimmungen der Kommunen und Deich- und Wasserverbände bei Starkregenereignissen gemeinsam mit den Betroffenen die Sicherheit verbessern.

Mehr Transparenz bei Wasserpreisen

Im Wortlaut: „Viele Bürger wünschen sich die Möglichkeit von Preisvergleichen beim Bezug ihres Trinkwassers. Dieses berechtigte Anliegen wollen wir aufgreifen. Wir wollen auch beim Trinkwasser Transparenz über Preise und Ursachen für Preisdifferenzen herstellen. Das Benchmarking werden wir im Dialog mit den Trinkwasserversorgern weiterentwickeln.“ Das sind wichtige Aussagen, die auch große Teile der Wasserwirtschaft im Grundsatz begrüßen werden. NRW ist mit aktuell 113 Teilnehmern beim Wasser-Benchmarking bundesweit Spitzenreiter. Viele Versorger bieten auf ihren Websites umfangreiche Informationen zu den Wasserpreisen und -gebühren an. Keine Frage: hier kann mehr getan werden. Aber bitte mit Augenmaß, Preisvergleiche wie „Billiger.de“ müssen in die Irre führen und wären Desinformation. Das hilft bei der Daseinsvorsorge nicht weiter.

Novelle der Novelle des Landeswassergesetzes

Meine Befragung der Landtagskandidaten und die Rückmeldungen aus den Reihen der FDP hatte es schon angekündigt: Die Novelle des Landeswassergesetzes aus dem vergangenen Jahr hätte bei einem Regierungswechsel nur eine kurze Halbwertszeit. So ist es nun gekommen. Die neue Landesregierung will die „falschen Weichenstellungen“ im jüngst abgeänderten Landeswassergesetz durch eine Novelle korrigieren. Der Sonderweg NRW soll zurückgedreht werden. „Wir werden es möglichst weitgehend mit den Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes synchronisieren. Das betrifft unter anderem die Regelungen zu Gewässerrandstreifen, Vorkaufsrechten, der Entfristung von Genehmigungen und den Berichtspflichten. Dabei wollen wir die Erfahrungen anderer Bundesländer aufgreifen, um beste Ergebnisse für den Gewässerschutz mit möglichst begrenztem Aufwand zu erzielen.“ Auch erklärt Schwarz-gelb „Eine verpflichtende Funktionsprüfung privater Abwasserkanäle (Dichtheitsprüfung) soll es nur bei Neubauvorhaben, bei wesentlichen baulichen Veränderungen auf Grundstücken und bei begründeten Verdachtsverfällen geben.“

„Weg mit den Mikropartikeln!“ – aber kooperativ 

Es ist auch bei der neuen Landesregierung angekommen, dass Mikropartikel die Gewässer bedrohen. Während aber andere Staaten wie Canada schon Verbote für 2018 erlassen, will sie NRW „diesem Problem widmen und in einem ersten Schritt die Forschung und Erkenntnisgewinnung in diesem Bereich vorantreiben, um zeitnah zu Lösungswegen zu kommen. Für eine erfolgreiche Strategie setzen wir insbesondere auf kooperative Ansätze mit den Verursachern innerhalb und außerhalb der Wirtschaft. Wir begrüßen die Selbstverpflichtung der Industrie, bis zum Jahr 2020 auf Mikroplastik in Kosmetikprodukten zu verzichten und werden die Einhaltung dieser Selbstverpflichtung aktiv einfordern.“ Das bedeutet im Klartext ein „Weiter so“ und eine Einbeziehung der Verbraucher in die Vermeidungsverpflichtung. Wichtig wäre auch hier ein Erfahrungsaustausch, denn dann ginge es womöglich nur noch vor 2020.

Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie wird flexibilisiert

Die Wasserrahmenrichtlinie ist für die Wasserwirtschaft und den Umweltschutz an Bedeutung kaum zu überbieten. Sie wird auch in NRW eine bedeutende Einflussgröße sein. Die Koalitionäre erklären hierzu: „Den Maßnahmenkatalog zur Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie werden wir so flexibilisieren, dass damit auch Maßnahmen zum Hochwasserschutz verbunden werden können. Die erfolgreiche Umgestaltung ganzer Flusslandschaften wie zum Beispiel an der Emscher oder der Lippe wird auch in Zukunft ein wichtiges Instrument der Landespolitik bleiben.“

Und was können wir nun erwarten? Vieles wird anders!

Sicher ist es wenige Stunden nach Veröffentlichung des Koalitionsvertrages unangemessen und unmöglich ein Fazit zu ziehen. Es wird sich in den kommenden Jahren zeigen, welche Schwerpunkte und Ankündigungen sich in die politische Praxis umsetzen lassen. Eine ganze Reihe der Punkte sind positiv zu bewerten: So hat die Diskussion der Nitratbelastung der letzten Wochen ihren Niederschlag gefunden. Fraglich ist nur, ob ein voraussichtlich CDU-geführtes Landwirtschaftsministerium bei der Kooperation auch die Ausgewogenheit im Blick haben wird. Dabei sollte eine ordnungspolitische Flankierung wegen der Dringlichkeit des Handels mit in Betracht gezogen werden. Das Vorsorgeprinzip in den Vordergrund zu stellen ist richtig und wichtig. Auch hier muss allerdings der Ausgleich gewahrt werden, es müssen alle Akteure im Produktlebenszyklus in die Verantwortung genommen werden, wenn man nur beim Verbraucher ansetzt, ist zu spät und zudem ungerecht. Dass die neue Landesregierung eines „Entbürokratisierung“ verfolgen und das Landeswassergesetz ändern wird, war schon vorher angekündigt worden (siehe auch „Wie Wasser- und Umweltpolitik der nächsten NRW-Landesregierung aussehen könnte – Ergebnisse der Onlineumfrage“). An einigen Stellen wird die konsequent grüne Politik, durch den liberalen Ansatz ersetzt. Vermutlich sind noch nicht alle Punkte im Koalitionsvertrag verankert. Man darf nur hoffen, dass die wichtigen Eckpfeiler, wie die Wasserversorgungskonzepte nicht dazu zählen und erhalten bleiben. Ähnlich wie beim Benchmarking, das hoffentlich noch mehr landespolitischen Rückenwind erhalten wird, bieten die Wasserversorgungskonzepte und ihre lokalpolitische Verankerung eine wichtige Planungsgrundlage für die kommunale Daseinsvorsorge. Dass die Wasserpreise in NRW günstig sind, wird jeder feststellen, der sich mit dem Thema auseinandersetzt. Leider sind die Wasserpreise ein Thema, dass in vielen Medien als Aufreger und Aufmacher geradezu prädestiniert ist. Dessen ungeachtet haben die BürgerInnen einen Anspruch darauf zu erfahren, wie sich Preise zusammen setzen und warum sie sich auch ändern müssen. Hier ist tatsächlich mehr Transparenz gefragt. Jeder, der meinem Blog folgt, kann nachvollziehen, warum ich mich über diese Ankündigung im Koalitionsvertrag sehr freue. Der Wasserkunde ist König! Wird er auch so behandelt? – Ein Plädoyer für Transparenz im Internet.

Und dennoch: „Man wird sie an den Taten messen müssen.“

Hier geht es zum Koalitionsvertrag (Wasser- und Hochwasserschutz S. 82 ff.)

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