NRW-Kartellbehörde erklärt Finanzierung öffentlicher Trinkbrunnen über Wasserpreise für unzulässig

Trinkwasserbrunnen und Wasserspender auf öffentlichen Plätzen bleiben bei Kommunen auf der Wunschliste. Kommunalpolitiker zeigen auf Wasserversorger, wenn es um die Kosten geht. Schließlich ließen sich diese auf die Wasserpreise oder Gebühren abwälzen, so eine weit verbreitete Begründung. Dieser landläufigen Praxis will die NRW-Landeskartellbehörde jetzt zumindest für Wasserpreise einen Riegel vorschieben. In einer mir kurz vor Weihnachten zugegangenen Stellungnahme der NRW-Wettbewerbsbehörde sieht diese in der Umlage der Kosten für Trinkbrunnen in Wasserpreisen einen Verstoß gegen geltende Gesetze. Ich hatte bereits im Sommer 2019 vermutet, dass eine derartige Stellungnahme zu erwarten sein wird und in einem Blogbeitrag verschiedene Praxisbeispiele alternativer Finanzierungsmöglichkeiten aufgezeigt.

EU und Bundespolitik wollen mit Trinkwasserbrunnen den öffentlichen Zugang zu Trinkwasser verbessern

Schon nach der Initiative der Bundesumweltministerin zur Plastikvermeidung erhielten viele Wasserversorger von der Lokalpolitik den Auftrag, ihr Leitungswasser Bürgern, Radfahrern, Wanderern, Touristen und anderen Bevölkerungsgruppen anzubieten. Dazu sollen sie Trinkwasserbrunnen bzw. Wasserspender errichten und betreiben. Derartige frei zugängliche und kostenlose Trinkwasserangebote sieht auch die neue EU-Trinkwasserrichtlinie vor. „Die Mitgliedstaaten sollten den allgemeinen Zugang zu sauberem Wasser in der Europäischen Union fördern und Zugang zu Wasser in Städten und öffentlichen Einrichtungen verbessern, und zwar durch die Einrichtung von frei zugänglichen Trinkbrunnen, soweit dies technisch möglich und verhältnismäßig ist“, heißt es im Beschluss des Europäischen Parlaments zu „Neue Regeln für besseres Trinkwasser und zur Verringerung von Plastikmüll“. Ausgangspunkt war die europäische Bürgerinitiative Right2Water, die von 1,7 Millionen Unterschriften unterstützt, den freien Zugang zu Trinkwasser für alle Bürger forderte. Auch wenn die EU-Trinkwasserrichtlinie noch auf ihren letztendlichen Beschluss wartet, so darf nach der Einigung im Trilog-Verfahren der vergangenen Woche davon ausgegangen werden, dass Forderungen nach öffentlich zugänglichen Trinkwasserbrunnen zunehmen werden.

Kommunalwahlen in 2020 könnten Begehrlichkeiten für öffentlichkeitswirksame Maßnahmen wecken

In NRW werden in 2020 die Stadt- und Gemeinderäte neu gewählt (ebenso in Bayern). Es dürfte nicht überraschen, wenn Kommunalpolitiker und Wahlkämpfer – zumal angesichts der letzten Hitze-Sommer – den Bürgern nicht nur kleine Wohltaten versprechen, sondern diese auch gerne einweihen möchten. Da kommen Trinkwasserbrunnen auf dem Markt, in der Fußgängerzone oder auf anderen öffentliche Plätzen womöglich gerade recht. Und wer könnte schon „nein“ sagen, wenn die Kosten nicht den Stadtsäckel belasten, sondern vom lokalen Wasserversorger getragen werden. Zwischen 8.000 bis 12.000 Euro bewegen sich die Kosten für die Geräte zuzüglich der Betriebskosten. Diese Kosten müsse der Versorger ja nicht selber tragen, schließlich könne er sie ja in die Wasserpreise einrechnen, so der auf den ersten Blick nachvollziehbare Grundgedanke. So einfach ist es bei genauerem Hinsehen dann doch nicht, wie die Landeskartellbehörde klar stellt.

Kommune darf Wasserversorger mit Errichtung und Betrieb des Brunnens beauftragen, muss dafür aber bezahlen

Wasserversorger müssen kostendeckend arbeiten. Insoweit ist es nur folgerichtig, wenn sie hierbei auch die Kosten für die Trinkbrunnen im Blick haben, die sie für die Kommunen errichten. Nicht immer übernehmen die Kommunen die Kosten oder lassen sich diese über Crowd-Funding oder über Vereine decken. Da kommen die Wasserpreise ins Spiel – und mit ihnen die Landeskartellbehörde, die darüber wacht.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze wirbt mit öffentlichen Trinkbrunnen für Leitungswasser, um Plastik zu vermeiden (Foto: Bundesumweltministerium)

Einleitend widmet sich die Stellungnahme der Kartellbehörde der Frage, ob eine Kommune von einem Wasserversorger die Errichtung eines Trinkwasserbrunnens überhaupt verlangen darf. Um es vorweg zu nehmen: ja, sie darf es unter bestimmten Umständen und zwar dann, wenn sie dafür einen marktüblichen Preis bezahlt. „Die Gemeinde kann ihren Wasserversorger im Wasserkonzessionsvertrag zur Errichtung und zum Betrieb von Trinkwasserbrunnen verpflichten. Hierfür muss die Kommune dem Wasserversorger jedoch gemäß § 6 Abs. 3 b) KAEAnO ein angemessenes marktübliches Entgelt entrichten, anderenfalls liegt ein Verstoß gegen das Nebenleistungsverbot des § 6 Abs. 1 KAEAnO vor“, heißt es wörtlich in der Stellungnahme.

Finanzierung von öffentlichen Trinkwasserbrunnen über Wasserpreise ist unzulässig

Welcher Grund ausschlaggebend dafür ist, dass ein Wasserversorger in NRW Trinkwasserbrunnen errichtet und betreibt, ist aus Sicht der Kartellbehörde unerheblich. Ob Konzessionsvertrag mit Verpflichtung gegenüber der Kommune oder freie Entscheidung des Unternehmens: die Wasserpreise sind tabu. Dabei stützt sich die Behörde auf eine Rechtsgrundlage, die Wasserkunden kaum kennen dürften, obwohl sie das Vertragsverhältnis mit dem Wasserversorger regelt: die Verordnung über die Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit Wasser, kurz AVBWasserV. Demnach hat der Endkunde dem Wasserversorgungsunternehmen die von ihm entnommene Wassermenge zu bezahlen – aber auch nicht mehr. Das heißt, der Kunde muss nicht für Leistungen zahlen, die er nicht in Anspruch nimmt. Dabei bezieht sich die Behörde auch auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz. Das OVG Koblenz hatte am 18.3.2019 beim Löschwasser entschieden, dass dies „der Allgemeinheit zugutekommt und es daher gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen würde, wenn die Kosten hierfür nur von einem Teil der Allgemeinheit, nämlich den Gebührenzahler, getragen werden.“ Somit würde es aus Sicht der Kartellbehörde ebenfalls gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz verstoßen, „wenn die Kunden der Wasserversorger das von Nichtkunden entnommene Wasser zahlen müssten, nicht aber die tatsächlichen Konsumenten.“ Ungeachtet dessen kann der Wasserversorger die Trinkbrunnen selbstverständlich ausserhalb des durch Wasserpreise gedeckten Budgets finanzieren.

Beitrag auf LebensraumWasser zum Thema Finanzierung von Trinkwasserbrunnen

Finanzierungsmöglichkeiten für Trinkwasserbrunnen

Schon im Sommer hatte ich mich im Rahmen eines Beitrages mit möglichen Finanzierungsalternativen für Trinkwasserbrunnen befasst und einige Beispiele aufgezeigt.

  • Das Land Rheinland-Pfalz fördert 100 öffentliche Trinkwasserspender in einem Projekt, das mit Unterstützung der Wasserfachverbände LDEW und DVGW und den kommunalen Spitzenverbänden gestartet wurde. Kommunen und deren Wasserversorgungsunternehmen können mit einem Festbetrag von 4.000 Euro für die Aufstellung eines Trinkwasserbrunnens finanziell unterstützt werden. Die Betriebskosten sind von den jeweiligen Unternehmen zu tragen. Die Kommunen müssen sich mit den Gesundheitsämtern zur Überwachung und Beprobung abstimmen.
  • In Berlin hat der Senat die Wasserbetriebe Berlin mit dem Aufstellen von Trinkbrunnen und Trinkwasserspendern beauftragt. Durch den Abgeordnetenhausbeschluss zur „Blue Community“ stellt das Land Berlin für die kommenden zwei Jahre erstmals eine Million Euro für ein Trinkbrunnenbauprogramm zur Verfügung. Über die ganze Stadt verteilt bauen die Wasserbetriebe nun 100 Trinkbrunnen und Wasserspender
  • In Warstein wird mittels Crowd-Funding oder – auf deutsch: „Schwarmfinanzierung“ – ein Trinkwasserbrunnen durch die örtliche Trinkwasserinitiative e.V. angeschafft und betrieben.

Vor sieben Jahren Petition für öffentliche Trinkbrunnen im Bundestag

Eigentlich ist das Thema nicht neu. 2013 hatte ich darüber berichtet, dass sich der Deutsche Bundestag aufgrund einer Petition aus dem Jahr 2012 mit der Einführung von Wasserspendern in Kommunen befassen musste. Diese Petition wurde zwar befürwortet, die Befassung zuständigkeitshalber aber an die Länder delegiert. Der Beschluss führt im Einzelnen aus: „Hygienisch betriebene, sorgsam und fachmännisch gewartete und gereinigte Trinkwasserspender, die so konstruiert sind, dass eine Kontamination des Trinkwasserhahnes nicht zu besorgen ist, können den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Eignung des „Wassers aus dem Hahn“ zum Trinken wirksam vermitteln. Gleichzeitig könnte damit ein Beitrag geleistet werden, den Aufwand für den Transport und die Entsorgung von Flaschen zu reduzieren.

Mit dieser Petition war versucht worden, Bewegung in das Thema zu bringen (Q: Deutscher Bundestag)

Die Petition war im Herbst 2013 in den Bundesländern angekommen. In Nordrhein-Westfalen war daraufhin das Umweltministerium aktiv geworden und hatte die Kommunen befragt. Diese hatten damals überwiegend abgewunken. Das war aber lange vor „Plastik in den Weltmeeren“ und „Klimawandel“. Sechs Jahre später kommt jetzt Bewegung in das Thema.

Kommunen könnten mit Förderprojekten des Landes unterstützt werden

Es gibt also nachahmenswerte Beispiele für die Finanzierung von Trinkwasserbrunnen. Diese bieten sich als Alternative zu den Wasserpreisen an. Vielleicht sollten die Umweltministerien in den anderen Bundesländern einmal prüfen, ob sie nicht ähnlich wie Rheinland-Pfalz Landesfördermittel für Trinkwasserbrunnen in den Kommunen bereit stellen. Viele Kommunen werden überfordert oder, wenn sie einer Haushaltssperre unterliegen, nicht in der Lage sein, die Kosten zu übernehmen. In Kürze werde ich Gelegenheit haben, der NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser im Rahmen eines Interviews einige Fragen zustellen. Diese gehört definitiv dazu.

Weiterführendes/Quellen

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