Impulse für Bayerns Wasserwirtschaft im „Sommerinterview“

Die Herausforderungen und Entwicklungen der bayerischen Wasserwirtschaft nehmen an Dynamik zu. Bislang Selbstverständliches ist zu hinterfragen, Strukturen womöglich anzupassen, Wasserpreise in Bewegung, um nur einige Punkte zu nennen. Was liegt näher, als Branchenkenner zu fragen. Daher sprach ich mit Dr.-Ing. Hermann Löhner, Werkleiter der Fernwasserversorgung Franken, über seine Einschätzung der bayerischen Wasserwirtschaft und wie er sich die Bewältigung der Herausforderungen vorstellen kann.

Die Fernwasserversorgung Franken (FWF) ist ein kommunaler Zweckverband und beliefert 160 kommunale Vertragspartner in Mittel- und Unterfranken mit Trinkwasser. Mit einer jährlichen Wasserabgabe von rund 17 Millionen Kubikmeter gehört sie zu den größten bayerischen Wasserversorgungsunternehmen. Somit sichert FWF die Versorgung von rund 325.000 Menschen.

1. Frage: Herr Löhner, Bayerns Wasserwirtschaft, war unlängst bei der Führungskräftetagung des Gemeindetages in Erding zu hören, steht vor gewaltigen Herausforderungen angesichts von Klimawandel und demografischen Wandel. Wie ist bezogen auf die Fernwasserversorgung Franken Ihre Einschätzung? Sind Sie vorbereitet? Wo sehen Sie die Schwachstellen in der Branche?

Löhner: Wir analysieren bei der Fernwasserversorgung Franken fortlaufend unsere Stärken und Schwächen. Gleichzeitig versuchen wir in die Zukunft zu blicken, um unsere Chancen und Risiken zu erkennen. Die Ergebnisse daraus münden in unsere Studie „FWF 2040“. Sie wird sich an den Leitlinien der DIN 2000 orientieren.

Wir haben mit der Studie „FWF 2040“ im Jahr 2015 begonnen haben. Grundlage war damals u.a. eine Befragung unserer mehr als 160 Kunden. Neben der Kundenzufriedenheit wurden auch Fragen hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung und den damit verbundenen Erwartungen abgefragt. Die Rücklaufquote lag deutlich über 80% und stimmte uns sehr zufrieden. Wir haben damit ein gutes Fundament geschaffen. Allerdings müssen wir aufgrund der Erfahrungen aus den Jahren 2018 und 2019 (u.a. Temperatur-/Niederschlagsentwicklung sowie Verbrauchsverhalten) hier nochmal nacharbeiten.

Die Studie „FWF 2040“ ist unser Roadbook zur Unternehmensentwicklung. Wie entwickelt sich der Wasserabsatz? Wie kann der Wasserbedarf gedeckt werden? Welcher betriebliche Aufwand und welche Investitionen sind zu tätigen?

Diese Fragen müssen alle Wasserversorgungsunternehmen beantworten. Die Schwachstellen der Branche sehe ich momentan – insbesondere in Bayern – in der noch nicht vorhandenen flächendeckenden Transparenz. Hierbei meine ich Aspekte wie beispielsweise den technischen Anlagenzustand oder die Kostendeckung von Wassertarifen. Das Bewusstsein handeln zu müssen ist da.

Dr.-Ing. Hermann Löhner (Foto: Bildschön GmbH/Maelsa (c))

2. Als Reaktion auf die Herausforderungen wird von bayerischen Experten mehr Veränderungsbereitschaft gefordert. „Kooperationen statt Privatisierung“ lautet die Antwort. Ihr Unternehmen ist aus verschiedenen Gründen prädestiniert, um nachbarschaftliche Betriebe anzunehmen und abzusichern. Ist das bereits der Fall? Welche Vorteile ziehen die Partner daraus? Gibt es Akzeptanzbarrieren?

Löhner: Die Fernwasserversorgung Franken wurde aus einer staatlichen Rahmenplanung heraus gegründet, um in den Wassermangelgebieten Nordbayerns eine überregionale Verbundstruktur zu schaffen. Bis in das Jahr 2000 wurde die Entwicklung der FWF maßgeblich durch den Freistaat Bayern durch staatliche Zuschüsse „gelenkt“. Zwischenzeitlich sind alle Bindefristen der Zuschüsse ausgelaufen und die Entwicklung erfolgt im Rahmen der kommunalen Selbstverwaltung.

Neben dem Wasserverkauf an mehr als 160 Gemeinden in Unter- und Mittelfranken, werden die Leistungen unseres akkreditierten Trinkwasserlabors von 120 Kunden in Anspruch genommen. Hierbei entstehen hohe Synergien für die Trinkwasserqualitätsüberwachung. Neben den beteiligten Wasserversorgungsunternehmen profitieren auch die Gesundheitsämter. Durch eine flächendeckende optimierte Probenahmeplanung (Umfang, Häufigkeit und Örtlichkeit) können die Anforderungen der TrinkwVO jederzeit erfüllt werden.

Weitere Kooperationsfelder gibt es u.a. bei der Löschwasserbereitstellung, administrativen Beratungen, Online-Wassermengen-Monitoring, der operativen Wasserlecksuche. Neue Kooperationsfelder entstehen im Bereich Organisation und Betrieb.

Akzeptanzbarrieren kann ich keine erkennen. Wir sind ein anerkannter Partner. Dabei handelt sich um eine klare Aufgabenteilung zwischen Betrieb der Ortsnetze und überregionalen Transportsystemen. Dies wird aber zukünftig Schritt für Schritt zusammenwachsen, da schlichtweg der Fachkräftemangel hier den maßgeblichen Druck zur verstärkten Zusammenarbeit bringen wird.

3. Der bayerische Umweltminister Torsten Glauber und der Präsident des bayerischen Gemeindetages Dr. Uwe Brandl bezeichnen die Wasserpreise in Bayern mit durchschnittlich 1,57 Euro je Kubikmeter als zu gering. Die Bürger müssten höhere Wasserpreise und Gebühren akzeptieren. Teilen Sie diese Einschätzung?

Wie bereits eingangs schon gesagt, muss jeder Wasserversorger in Bayern seine Hausaufgaben erledigen. Transparenz schaffen und die kommunalpolitischen Entscheidungsträger von der Notwendigkeit einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung überzeugen. Wenn dies flächendeckend in Bayern geschieht, werden die Wassertarife in Bayern an vielen Orten deutlich ansteigen.

4. Die bayerische Landesregierung hat ein aus Sicht der Versorger und Kunden attraktives Fördersystem für Härtefälle, das RZWas2018. Darin werden Strukturkonzepte und Verbundsysteme auch ohne Vorliegen von Härtefällen gefördert, nicht aber unter Beteiligung von Fernwasserversorgern. Fühlen Sie sich benachteiligt?

Löhner: Die verantwortlichen Personen der bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung in München hatten ganz sicher Ihre Gründe als die neuen Richtlinien verfasst und veröffentlicht wurden. Eine offizielle Begründung habe ich nicht erhalten, ich kann es nur vermuten. Aber wir fühlen uns keineswegs dadurch benachteiligt. Ich versuche solche Entscheidungen immer sehr sportlich zu nehmen. Der daraus entstehende „Wettbewerb“ kann ja nicht schaden. Am Ende setzt sich meines Erachtens immer die höchste Qualität und Effizienz durch.

Sehr positiv überrascht bin ich aber über die tollen Entwicklungen in Baden-Württemberg. Die dortigen Strukturkonzepte, welche das Land Baden-Württemberg mit anderen Partnern entwickelt und umsetzt, treffen meines Erachtens direkt ins Schwarze.

5. Der Sommer 2018 und einige Wochen in 2019 haben die Wasserversorger an den Rand der Leistungsfähigkeit gebracht. Dabei ist zu hören, dass es nicht nur ein Problem der Wassermenge, sondern auch der Abnahmespitzen sei, wenn alle gleichzeitig nach Feierabend duschen, Pools befüllen und Gärten bewässern. Das dürfte Ihr Unternehmen doch noch härter treffen, wenn ihre Weiterverteiler-Kunden die Spitzen an den Vorlieferanten weiterreichen. Wie nehmen Sie die Belastung wahr? Wie gehen Sie mit dieser atypischen Nutzung um?

Löhner: Die Monate Juli und August sind extrem! In beiden Jahren. Noch reicht unsere Vorhalteleistung aus. Wir müssen aber umdenken. Die wesentliche Aufgabenstellung wird sein: Wie bekommen wir unsere technischen Restriktionen bei den Kapazitäten gelöst? Erweiterungen durch Investitionen obwohl die Nutzungsdauer der Anlagen erst zur Hälfte erreicht ist? Wie erfolgt die Finanzierung solcher Investitionen? Wie könnte ein Finanzierungsmodell für solch eine atypische Netznutzung zukünftig aussehen? Welche Auswirkungen hat dies auf die Wasserlieferungsverträge und Tarife? Dies sind viele Fragen, mit denen nicht nur wir zurzeit beschäftigt sind. Es gibt in Deutschland gut 20 große Fernwasserversorgungsunternehmen. Alle stehen vor ähnlichen Herausforderungen!

6. Den Begriff „Nutzungskonkurrenzen“ kannten wir in der deutschen Wasserwirtschaft bisher nicht. Bei der Frage der Versorgungssicherheit in der öffentlichen Trinkwasserversorgung könnte aber bei anhaltender Verschärfung der Dargebotssituation eine verstärkte Konkurrenz um das knapper werdende Gut „Wasser“ entstehen. Sehen Sie die öffentliche Trinkwasserversorgung gegenüber anderen Nutzungsformen und dem Naturschutz ausreichend priorisiert oder muss die Wasserwirtschaft Einschränkungen befürchten?

Löhner: Ich sehe derzeit keine konkreten Probleme in unserem Verbandsgebiet. Die Landwirtschaft (egal ob Winzer, konventionelle Landwirte oder Ökobauern) hat aufgrund der aktuellen Entwicklungen natürlich schon gewaltige Herausforderungen. Dies ist ein Wirtschaftszweig, welcher im globalen Wettbewerb steht. Ich setze mein Vertrauen in die politischen Entscheidungsträger, dass Sie zukünftig den Vorrang der Trinkwasserversorgung beachten und gleichzeitig wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft in Bayern und Deutschland schaffen.

7. Wagen Sie einen Ausblick! Was wird sich in der bayerischen Wasserwirtschaft in den nächsten zehn Jahren ändern?

Löhner: Wir werden sicherlich zukünftig mehr Kooperationen erleben. Für mich wird immer deutlicher erkennbar, dass es viele gemeinsame Ansichten, Positionen und Auffassungen zur Situation der Wasserversorgungsunternehmen in Bayern gibt. Im Wesentlichen kann daraus das Ziel formuliert werden, eine aktuelle Aufgabenkritik aller Beteiligten zu formulieren und daraus gemeinsame interkommunale Lösungsansätze abzuleiten.

Meines Erachtens Bedarf es drei wesentlicher Lösungsbausteine für eine flächendeckende Herangehensweise in Bayern:

  1. In der Praxis umsetzbarer Rahmenplan Wasserversorgung Bayern 2050 (Fokus: Methodik für die wasserwirtschaftlichen/technischen Aspekte, u.a. Wasserressourcen/-schutz, Wassermengenbilanzen, Zielnetzplan, Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit …)
  2. Praxisorientierte Finanzierunginstrumente (Fokus: Methoden und Fallbeispiele für Investitionsplanung, Tarifstrukturen und deren Kalkulation, Zuschüsse, …)
  3. Kooperationsinitiative: Konkrete Hilfestellungen für zukunftsfähige Organisations- und Betriebsformen (Fokus: Stärkung kommunale Selbstverwaltung und interkommunale Zusammenarbeit)

Meine Erfahrung zeigt mir, dass es sinnvoll sein kann, anhand eines kleinen Pilotprojektes ein „Leuchtturmprojekt“ zu entwickeln. Ziel sollte sein, eine lokale Kooperationsform für die gemeinsamen Aufgabenstellungen in der Wasserversorgung zu finden. Hierbei kann gerne auch die FWF in Ihrem Verbandsgebiet ein Kooperationspartner sein.

Weiterführendes

Beitragsfoto: Gendries (Wasserschutzgebiet Nähe Uffenheim)

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