Gemeinsam gegen Spurenstoffe. Stakeholder-Dialog legt vor.

„Wasser ist eine Frage von Leben und Tod“. Zum Auftakt der Spurenstoffstrategie des Bundes unterstreicht Umweltministerin Svenja Schulze bei der Präsentation der Ergebnisse des Stakeholder-Dialogs am 19.3.2019 in Berlin den Handlungsdruck mit diesem Zitat des UN-Generalsekretär António Guterres. Rechtzeitig zum Weltwassertag am 22.3. lieferten die rund 40 Mitglieder des Kooperationsgremiums zur Bewältigung der Spurenstoffprobleme ihre Vorschläge ab. Das Papier enthält zahlreiche Maßnahmen zur Vermeidung des Eintrag von Spurenstoffen in der Natur und im Abwasser.

In ihrer Rede betont Svenja Schulze den gesamtgesellschaftlichen Handlungsdruck: „Immer häufiger finden wir Rückstände von Arzneimitteln und anderen Chemikalien in unseren Gewässern. Dort gehören sie nicht hin: Sie können der Umwelt schaden und die Trinkwassergewinnung erschweren. Ich freue mich, dass wir uns mit den beteiligten Akteuren auf zusätzliche Maßnahmen einigen konnten. Wir werden den Eintrag von Spurenstoffen in Gewässer reduzieren – von der Quelle bis zur Kläranlage.“

Immer mehr im Alltag genutzte chemische Stoffe gelangen über diverse Eintagspfade in unsere Gewässer (Oberflächengewässer und Grundwasser). Dort werden einige dieser Substanzen in Konzentrationen von Nano- bzw. Mikrogramm je Liter nachgewiesen (Spurenstoffe), z. T. haben sie nachteilige Wirkungen auf Ökosysteme und/oder die Gewinnung von Trinkwasser aus Rohwasser. Ihre Herkunft ist vielfältig. Sie stammen aus der Herstellung und Verwendung von Produkten wie Humanarzneimitteln, Bioaiden, Pflanzenschutzmitteln, Industrie- und Haushaltschemikalien oder Körperpflege- und Waschmitteln und gelangen über punktuelle und diffuse Eintragspfade in die Gewässer.

Dialog und Kooperation statt Legislative

Viele Akteure sind mit der Herausforderung Spurenstoffe befasst, aber ebenso viele sind für die Produktion und den Eintrag auch verantwortlich. Daher hat sich die Bundesumweltministerin, wie sei betont, auf den Versuch eingelassen mit einer unter allen Stakeholdern abgestimmte Strategie auf Bundesebene heranzugehen, diese Einträge in die Gewässer orientiert am Vorsorge- und Verursacherprinzip effizient zu reduzieren. Schulze hatte nach der vorausgegangenen ersten Phase ein ambitioniertes Ziel vorgegeben und einen breiten Akteurskreis zur Erarbeitung von Vorschlägen eingeladen. Mit der Projektsteuerung waren das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI und das IKU_Die Dialoggestalter, die diese Herkulesaufgabe bewältigt zu haben scheinen, die unterschiedlichen Interessen zu kanalisieren und einen Kompromiss herbei zu führen.

Die Bundesumweltministerin hat demnach das Experiment gewagt, in nicht mit der „Keule der Gesetzgebung“ zugeschlagen, sondern auf Kooperation und Vernunft zu setzen. „Damit haben wir etwas Neues ausprobiert. Anstelle einer Rechtsetzung, die für eine so komplexe Sachen ohnehin schwierig genug ist, waren wir der Überzeugung, das Ziel mit einer frühzeitigen Beteiligung besser erreichen zu können: Nämlich den Eintrag von Spurenstoffen in unsere Gewässer von vornherein zu verringern.“ Das klingt zunächst ermutigend. Zwar werden wir auf die tatsächlichen Reduzierungen des Spurenstoffeintrags noch warten müssen, aber der der Maßnahmenentwicklung zugrunde liegende Prozess zeigt einen Erfolg versprechenden Weg. Schliesslich saßen Chemieindustrie, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft und Umweltverbände nicht nur symbolisch an einem Tisch. Vielleicht läßt sich das auch auf andere Konfliktbereiche übertragen…


Struktur des Stakeholderforums Spurenstoffe

Das Ergebnis ist ein breiter Maßnahmenkatalog

So erstaunlich es klingen mag, aber schon die Frage, wie man eigentlich die relevanten Spurenstoffe definiert, war Gegenstand der Arbeit. So ist die Erarbeitung einer Vorgehensweise zur Auswahl relevanter Spurenstoffe ein wesentliches Ergebnis. Dies dient dem Bericht zufolge der Orientierung und Fokussierung bei der weiteren Prüfung und Auswahl von Maßnahmen an der Quelle und Anwendung, der Minderung über die Abwasserbehandlung und ggf. dem Monitoring von Maßnahmen.  

Bei Röntgenkontrastmitteln sollen Erfahrungen aus regionalen Projekten Hilfestellung geben

Röntgenkontrastmittel (RKM) wurden schon in verschiedenen regionalen Projekten auf die Liste der vermeidbaren Spurenstoffe gesetzt und u.a. in Kooperation zwischen Klinikbetreibern, Abwasserbetrieben, Umweltinitiativen und Wasserversorgern darin gehindert, in das Abwasser zu gelangen. Zwei Maßnahmen des Vorschlags zielen auf diese Spurenstoffe ab. Eine bezieht sich auf Sammelstellen für Urin, in dem die RKM enthalten sind. Eine Machbarkeitsanalyse soll vor Einführung in größerem Maßstab mehr Sicherheit geben. Anschließend sollen die bisherigen Pilotversuche in Krankenhäusern und Praxen auch hinsichtlich ihrer Akzeptanz bei den Betroffenen überprüft werden. Dabei sollen die Ergebnisse aus Projekten wie Merk’Mal (an der Ruhr) und MindER ausgewertet und für die weitere Planung zu berücksichtigt werden.

Ein Schwerpunkt der anwendungs- und informationsbezogenen Maßnahmen betrifft professionelle wie auch private Anwender gleichermaßen. Hier soll die Sensibilisierung für einen eintragsmindernden Umgang mit entsprechenden Stoffen und Produkten die Probleme angehen. Dafür sollen Informationskampagnen wie auch durch Beratungen, anwenderspezifische Informationsmaterialien und gezielte Aufklärung von Anwendern und Nutzern stattfinden. Zielgruppen sind hier alle spurenstoffrelevanten Branchen, insbesondere der Gesundheitssektor, Kosmetika, Wasch- und Reinigungsmittel, Inhaltsstoffe in Textilien sowie die Bereiche, in denen Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden. Den Rahmen soll eine Dachkampagne in Verbindung mit der Wasserdekade der Vereinten Nationen bieten. Zweifellos – und das zeigen auch die Rückmeldungen auf die Blog-Beiträge zu diesem Thema – gibt es Nachholbedarf bei der Aufklärung der Konsumenten.

“Bundeskompetenzzentrum Spurenstoffe“ soll Umsetzung koordinieren

Noch ist nicht ganz klar, wie die Bundesländer auf den Vorschlag reagieren werden, eine zentrale koordinierende Stelle beim Bundesumweltministerium/Umweltbundesamt (BMU/UBA) unter dem Namen „Bundeskompetenzzentrum Spurenstoffe“ zu etablieren. Dieses Zentrum soll „insbesondere auch für die Länder Möglichkeiten zum Informations- und Erfahrungsaustausch zur Verfügung stellen“, heißt es im Ergebnisbericht. Hinzu kommt, so der Vorschlag, ein durch das BMU bestätigtes Expertengremium, welches nach Vorarbeiten durch BMU/UBA die erarbeiteten Bewertungskriterien anwendet, relevante Spurenstoffe identifiziert. Über Stoff(-gruppen)-spezifische Arbeiten des Runden Tisches werden für relevante Spurenstoffe im Rahmen der Herstellerverantwortung einschlägige Vermeidungs- und Reduzierungsmaßnahmen identifiziert.

Es geht nicht ohne Kommunikation

Immer wieder ist festzustellen, dass Experten und Verbraucher gleichermaßen unsicher sind, worum es eigentlich bei Spurenstoffen geht, welche Grenz- oder Orientierungswerte eigentlich zu berücksichtigen sind und wie sich vermeiden lassen. Es gibt viele Fragen, aber wenige Antworten. Häufig fehlt auch die Wahrnehmung der Problematik als solche. Auch deshalb wurde zur langfristigen Kommunikation und Wissensvermittlung der Thematik in Fachkreise sowie in die breite Öffentlichkeit eine gemeinsame Kommunikationsstrategie vorgeschlagen. Richtig handeln kann nur, wer sich des Handlungsbedarfs und des richtigen Weges auch bewusst ist. Hier gibt es ganz ohne Frage noch viel zu tun. Der nächste Schritt dürfte beim anstehenden Nationalen Wasserdialog im Cluster „Risikofaktor Schadstoffe“ 27./28.3.2019 in Berlin folgen.

Quellen/Verweise:

  • BMU/UBA (Hrsg.) (2019): Ergebnispapier – Ergebnisse der Phase 2 des Stakeholder- Dialogs »Spurenstoffstrategie des Bundes« zur Umsetzung von Maßnahmen für die Reduktion von Spurenstoffeinträgen in die Gewässer. Eds.: Hillenbrand, T.; Tettenborn, F.; Bloser, M.; Bonn: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit/Dessau: Umweltbundesamt
  • Rede von Bundesumweltministerin Svenja Schulze vom 19.3.2019
  • Nationaler Wasserdialog
  • Beiträge zum Stichwort „Spurenstoffe“ auf Lebensraumwasser

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