Führt Bundesverfassungsgerichturteil zu Altanschließerbeiträgen zu neuen Gebührensystemen?

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat ein wegweisendes Urteil über die Festsetzung von so genannten  Altanschließerbeiträgen gefällt und damit möglicherweise auch einen Bedarf für neue „Gebührenstrukturen“ bei Trink- und Abwasser nicht nur in Brandenburg ausgelöst. Abwasserzweckverbände, Kommunen und Grundstückseigentümer stritten darum, wer für Investitionen in die Wasserversorgung nach der Wende aufkommen muss.

Der Reihe nach: Kaum ein anderes Thema war in Cottbus und in der Region in den letzten Jahren von höherer Brisanz, als das Thema der sogenannten Altanschließerbeiträge. Als Altanschließer gelten Eigentümer von Grundstücken, welche bereits vor der Wiedervereinigung an die Wasser- und Abwasserversorgung angeschlossen waren. Der Stichtag ist der Tag der Deutschen Einheit, der 3. Oktober 1990. Die bisherige Regelung: Auch Altanschließer müssen sich mit Beiträgen an Investitionskosten in die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung, die seit der Wiedervereinigung entstanden sind, beteiligen – zum Beispiel für modernere Kläranlagen. Alle Anschließer können von den Kommunen und Wasser- und Abwasserzweckverbänden auch rückwirkend an diesen Kosten beteiligt werden. Für die Grundstücke erhielten die Eigentümer die Bescheide über den Kanalanschlussbeitrag  erst viele Jahre später. So hat die Stadt Cottbus in den letzten Jahren nach rbb-Informationen rund 9.000 Haushalte mit Nachzahlungen von mehreren tausend Euro belegt. Viele Betroffene hatten zwar gegen diese Bescheide Widerspruch eingelegt, waren aber vor dem Verwaltungsgericht Cottbus und dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg gescheitert. Zwei Grundstücksbesitzer aus Cottbus wollten sich damit aber nicht zufrieden geben und waren vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Das hat jetzt entschieden, dass Grundstücksbesitzer nicht rückwirkend für Abwasseranschlüsse aus DDR-Zeiten zur Kasse gebeten werden dürfen. Entsprechende Entscheidungen der anderen Gerichte seien damit aufgehoben, lautet die Nachricht aus Karlsruhe, die bei vielen Abwasserverbänden und Kommunen Entsetzen ausgelöst haben dürfte.

Die Auswirkungen auf andere Fälle sowie auf die finanzielle Situation der Abwasserzweckverbände und der Kommunen sind derzeit noch unklar. Die Investitionen sind getätigt und die Kosten entstanden, die Beiträge sollten die Refinanzierung sichern. Das schien die Richter aber nicht zu interessieren: „Das allgemeine Ziel der Umgestaltung des Abgabenrechts sowie fiskalische Gründe – nämlich das öffentliche Interesse an der Refinanzierung der öffentlichen Abwasserbeseitigungsanlage – rechtfertigen die rückwirkende Abgabenbelastung hier nicht. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung, insbesondere den Schwierigkeiten beim Aufbau einer funktionierenden kommunalen Selbstverwaltung, bei der Gründung von Zweckverbänden, der erstmaligen Schaffung von wirksamem Satzungsrecht und der Lösung des Altanschließerproblems.“ (Link zum Urteil siehe unten)

Seit 1991 wurden laut rbb-Informationen in Brandenburg 3,2 Milliarden Euro in die Wasserversorgung investiert, die Länge der Abwasserkanäle hat sich in dieser Zeit vervierfacht. Aufgrund des Bevölkerungsrückganges steigen die Unterhaltskosten pro Kopf – die bestehende Infrastruktur können sich künftig immer weniger Kommunen leisten. Die Beitragserhebungen sollen die Kosten für die erstmalige Herstellung der Anlagen mit abdecken. Wenn dies aufgrund des Urteils mit den Beiträgen nicht mehr möglich ist, werden die Verbände und Kommunen nicht umhinkommen, bestehende Gebühren anzuheben oder gleich neue Entgeltsysteme einzuführen, um die Kosten gerechter zu verteilen. Auch die Bürger fordern lauf rbb eine Umstellung des Gebührensystems. Wer einmal an die Wasserversorgung oder die Abwasserentsorgung angeschlossen ist, argumentieren die Bürger, darf nicht Jahrzehnte später mit Beiträgen dafür belastet werden. Und: Sie fordern, die Finanzierung der Wasser- und Abwassersysteme auf ein reines Gebührenmodell umzustellen, bei dem jeder nur nach seinem Verbrauch zur Kasse gebeten wird. Das wäre aber vermutlich die falsche Richtung. Besser wäre es, wenn die Gebührenmodelle in Brandenburg höhere fixe Entgeltbestandteile erhalten. Investitionen erzeugen fixe Kosten und sollten im Sinne der Verursachungsgerechtigkeit auf auf fixe Entgelte verteilt werden. In die falsche Richtung würde die Politik gehen, wenn die variablen Gebühren zur Refinanzierung herangezogen werden. Denn dies würde zwar den Wasserverbrauch reduzieren, nicht aber die fixen Kosten. Eine Gebührenspirale wäre unvermeidbar und die nächste Protestwelle schon in Sicht….

  • Hier geht es zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts
  • Wie ein solches Entgeltsystem aussehen kann zeigt dieser Beitrag

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