EuGH-Urteil gibt Rückendeckung für Umstellungen der Wasserpreise

Entgelte für Wasserdienstleistungen müssen kostendeckend sein, um die Ressource Wasser effizient zu nutzen. Dies wird erreicht, in dem Wassernutzung nicht kostenlos, sondern mit einem kostendeckenden Preis versehen ist, schreibt die EU-Wasserrahmenrichtlinie im Artikel 9 vor. Während die Haushalte für ihr Wasser bezahlen, legt Deutschland diese Vorgabe eng aus und begünstigt damit vor allem die Industrie und die Binnenschifffahrt, indem sie keine kostendeckenden Preise für die Wasserentnahme bzw. Nutzung zahlen müssen. Weil die Europäische Kommission aber darin einen Verstoß gegen die Richtlinie sah, hatte sie im Mai 2014 ein Vertragsverletzungsverfahren vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) eingeleitet (siehe LebensraumWasser). Das Urteil liegt jetzt vor: der EuGH gab Deutschland nun grundsätzlich Recht (Rs. C-525/12).

Die Wasserrahmenrichtlinie zielt nach Ansicht des EuGH nicht auf eine vollständige Harmonisierung der wasserrechtlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten ab. Vielmehr müssten die Mitgliedstaaten in den eigens dafür vorgesehenen vorrangigen Maßnahmenprogrammen, die sich an den regionalen und lokalen Bedingungen orientieren, Instrumente zur Deckung der Kosten von Wasserdienstleistungen vorsehen.

Diese Auffassung des EuGH könnte sich für die deutschen Haushalte noch auszahlen, nämlich dann wenn es um die Struktur der Wasserpreise geht. Während nämlich in einigen europäische Nachbarstaaten in den öffentlichen Wasserversorgungen noch Wasserpreise verlangt werden, die keine oder nur schwache Anreize zum Wassersparen geben, sind die deutschen Wasserpreise auf dem besten Weg ihr Ziel sogar überzuerfüllen. Denn mit durchschnittlich 121 Liter Wasserabnahme täglich pro Person stehen so manche Versorgungssysteme schon an der Grenze der Tragfähigkeit bei den Kosten und der Qualität. Während wir also große Sparerfolge erzielen konnten, haben andere noch Nachholbedarf bei Sparanreizen mittels Wasserpreisen. So gibt es beispielsweise in großen Teilen von England gar keine verbrauchsabhängigen Wasserpreise – weil es keine Zähler gibt. Bei den deutschen Wasserpreissystemen hängen dagegen rund 80 Prozent der Erlöse von der verbrauchten Menge ab – bei nur 20 Prozent mengenabhängigen Kosten. Damit sind zwar die Ressourcenkosten mehr als gedeckt, nicht aber die Kostendeckung der Versorgungsanlagen, wegen ihrer hohen Fixkostenanteile. Denn wenn Wasser gespart wird, sinken die Erlöse und damit auch die Beträge für die Deckung der fixen Anlagenkosten. Anders als bei den EU-Nachbarn, die auf höhere Mengenpreise setzen müss(t)en, reagieren immer mehr deutsche Versorger und stellen auf höhere Grund- oder Systempreise um (siehe Abbildung).

Informationsveranstaltung des BDEW zu neuen Preismodellen
Informationsveranstaltung des BDEW zu neuen Preismodellen

Der EuGH gibt der deutschen Wasserwirtschaft jetzt Rückendeckung bei der Umstellung ihrer Preissysteme. Sie werden demnach auch Wasserpreisstrukturen schaffen dürfen, die zur Deckung der fixen Kosten beitragen. Der durch die EU-Kommission lange Zeit drohenden europaweiten Gleichmacherei bei den Wasserpreissystemen hat der EuGH jetzt eine Absage erteilt. Die Umstellungswelle kann in also Deutschland weiter gehen. Tut sie auch, wie das Beispiel der Stadtwerke Krefeld zeigt, die gestern ihre Umstellung auf das Systempreismodell mit höheren Festpreisanteilen bekannt gemacht haben….

Zum EuGH-Urteil schreibt informativ der Blog der CMS Hasche Sigle:

2 Kommentare

  1. Ich kann hier nicht erkennen, dass der EuGH der deutschen Wasserwirtschaft jetzt Rückendeckung bei der Umstellung ihrer Preissysteme gibt. Insbesondere, wenn diese neuen Preissysteme zu erheblichen Kostensteigerungen Einzelner führen wird zu prüfen sein, ob damit gegen die Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) verstoßen wird. In meinem Fall beträgt die Preiserhöhung in Krefeld konkret mehr als 22%. Das werde ich nicht hinnehmen. Wenn der Systempreis erheblich steigt, um damit mengeabhängige Preise zu senken, werden die bevorteilt, die große Trinkwassermengen verbrauchen, um damit ihre privaten Schwimmbäder zu befüllen, denn mit hohem Verbrauch wird der gestiegene Systempreis überkompensiert. Der Wasserpreis ist ein Instrument der Daseinsvorsorge und nicht zur Priviligierung von Schwimmbadeingentümern. Das mögen Sie, Herr Gendries als Lobbyist eines Wasserversorgers anders sehen, ich ziehe meine Schlüsse aus der letzten Wasserabrechnung der SWK Krefeld.

    • Danke für Ihre Anmerkungen, die ich mit nachfolgenden Erläuterungen gerne aufgreife. Zahlreiche Wasserpreissysteme in Deutschland leiden bekanntlich unter einem Missverhältnis zwischen der jeweiligen Kosten- und der Entgeltstruktur. Hohen Fixkosten steht ein zu geringes fixes Entgeltaufkommen gegenüber. Dies führt insbesondere bei rückläufiger Nachfrage zu einem Entgeltaufkommen, das nicht ausreicht, um die Kosten zu decken. Damit entsteht jene Kostenunterdeckung, die mit Art. 9 der EU-Wasserrahmenrichtlinie unterbunden werden soll (darauf nahm der EUGH Bezug). Die Wasserversorger haben dann zwei Möglichkeiten zu reagieren: 1. Investitionen und Instandhaltungsmaßnahmen reduzieren, um die Kosten zu senken. Dies geht bis zu einem bestimmten Niveau, das sich in höherer Effizienz niederschlägt. Danach geht es zu Lasten der Qualität oder Sicherheit (z.B. höhere Leckagen, Anlagenausfälle etc.) oder 2. die Preise anzuheben. Dies trifft alle Kunden gleichermaßen. Leider ändern beide Reaktionen nichts an der Ursache, so dass sich diese Maßnahmen von Jahr zu Jahr wiederholen müssen – dies mündet in einer Preisspirale oder in einer strukturellen Kostenunterdeckung. Deshalb wird empfohlen, diesen Kreislauf mit einer Anpassung des Entgeltsystems zu beenden. Um bei der Anhebung der festen Entgelte die Gesamtheit der Kunden nicht zu belasten, dass die variablen Entgelte gesenkt werden. Einige Kunden zahlen im Umstellungszeitpunkt mehr und andere weniger. Zu diesen zählen als Vielverbraucher aber nicht nur die angeführten Swimmingpoolbesitzer, sondern auch Familien mit Kindern, denen als Bewohner von Mehrfamilienhäusern keine Regenwassernutzung, Gartenbrunnen oder Kreislaufführung zur Verfügung steht, um den Verbrauch zu senken. Mittlerweile haben zahlreiche Experten die Umstellung der Entgeltsysteme angeraten. Eine solche Empfehlung hat auch der Wirtschaftsminister des Landes NRW, und damit zuständig für den Preismissbrauch, Garrelt Duin ausgesprochen: „Die Umstellung des Tarifsystems, z.B. wegen des demografischen Wandels, wassersparenden Verhaltens oder eines Strukturwandels, ist kartellrechtlich unbedenklich und geeignet, dem geänderten Abnahmeverhalten Rechnung zu tragen.“ (siehe http://www.roedl-benchmarking.de/downloads/BerichtNRW2014.pdf). Ähnlich argumentiert auch der BUND Landesvorsitzende Paul Kröfges, der in der WDR-Lokalzeit am 16.9.2014 einen 50%-Anteil der Fixentgelte als angemessen bezeichnete, in dem er erklärte „… dabei werden 80% der Kosten durch das System selbst verursacht, damit ist klar, dass man an der Struktur der Preise arbeiten muss und insofern können wir nachvollziehen, dass man hier zu einem Modell kommt und den Anteil für das System erhöht und den Wasserpreis für den Kubikmeter erniedrigt“. Damit bekommt eine Wasserpreisumstellung nicht nur Rückendeckung aus Brüssel, sondern auch von Kartellbehörden und namhaften Vertretern der Umweltschutzverbände. Das Land Sachsen-Anhalt hat übrigens vor wenigen Wochen mit derselben Begründung das Kommunalabgabengesetz geändert (einschl. einer Degression), um die Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge, also Wasserver- und Abwasserentsorgung, bezahlbar zu halten.

      Ich hoffe die Ausführungen tragen dazu bei, eine Umstellung zur Beseitigung eines strukturellen Missverhältnisses mit dem Ziel eines nachhaltigen Systems der öffentlichen Daseinsvorsorge und stabileren Preisen verständlicher zu machen.

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  1. BDEW-Experte: EuGH-Urteil fördert höhere Kostendeckung in der Wasserwirtschaft | Lebensraum Wasser

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