Ende des „Wasserreichtums“ in Bayern? Was ist zu tun?

Bisher wurden die Bayern um ihren Wasserreichtum beneidet, zuweilen auch für ihre geringen Wasserpreise, jetzt werden sie sich auf neue Zeiten einstellen müssen. Die Entwicklung geht so schnell voran, da scheinen selbst die bayerischen Wasserversorger kaum noch mitzukommen. Waren es vor dem Sommer noch „Investitionen und Wasserpreise“, bestimmen jetzt „sinkende Grundwasserpegel und knappe Wasservorräte“ die Berichterstattung im Freistaat und sorgen für Aufmerksamkeit in der Republik. „Versorgungssicherheit“, eigentlich ein Selbstverständnis, an dem bisher niemand in der überwiegend kommunal geprägten bayerischen Wasserwirtschaft zu rütteln wagte, wird plötzlich zum Thema an den Stammtischen. Da muss die Politik Farbe bekennen. Sie und die Wasserversorger kommen nicht umhin, über geeignete Maßnahmen nachzudenken, wie die Versorgung der Bevölkerung sichergestellt werden soll. Das Dreigestirn der Lösung: Investitionen, Preise und Kommunikation.

Risiken bei der Versorgungssicherheit werden offen angesprochen

Es sind zunächst die Wasserversorger, die die Flucht nach vorn antreten. Sie stehen „an der Front“ und wollen Antworten liefern, bevor die Sorgen aufkommen. Dazu müssen sie über zuweilen komplizierte und komplexe Zusammenhänge aufklären: „Wir wollen nicht beunruhigen, aber sensibilisieren“, erklärte Dipl. Ing. Markus Schmitz in einem Interview der Passauer Neuen Presse (PNP). Schmitz ist Werkleiter bei der Wasserversorgung Mittlere Nils und Geschäftsführer bei „WIT“, dem Verein „Wasser-Info-Team-Bayern“. Dieser widmet sich mit Aufklärung und Lobbyarbeit dem Wasser in Bayern. Dafür bekommt WIT starke Rückendeckung, denn Mitglieder sind neben den Wasserversorgern und Verbänden auch der Städtetag, der Gemeindetag und das Umweltministerium des Freistaates. Ich traf Schmitz am Rande der Tagung des Bayerischen Gemeindetages im Mai. Er ist mit „Leib und Seele“ Techniker. Er will, nein, er muss sich um seine Anlagen kümmern. Immer häufiger wird er nun auf die Versorgungssicherheit angesprochen. Die Technik der Anlagen haben die Wasserwerker im Griff, was jetzt immer dringender wird, ist die Aufklärungsarbeit – bei Bürgern und Politikern. Bevor mögliche Engpässe den Bürgern weh tun und sie unvorbereitet treffen, wollen die Experten aus der Wasserwirtschaft das Thema ansprechen. So schilderte mir ein anderer Wasserversorger sein Dilemma: „Egal, ob wir die Bürger zum Wassersparen aufrufen oder die Gemeinde es tut, wir Versorger stehen dafür im Feuer.

Sinkende Grundwasserstände sind zwar ganzjährig ein Problem, schließlich kündigt sich dies schon bei ausbleibenden Regenfällen im Winter und Frühjahr an, viele bemerken dass sich etwas ändert erst, wenn die Sommerhitze Wasser zum Thema macht oder die Gartenbewässerung eingeschränkt wird. Dann müssen Schmitz und seine Kollegen Antworten geben. Um ein Sprachrohr zu haben, gründete man das WIT. Bislang fristete es ein Schattendasein. „Seit einiger Zeit verzeichnen wir aber ein gestiegenes Interesse“, erklären Schmitz und sein Kollege Ludwig Sigl, Werkleiter des Wasserzweckverbands Mallersdorf in einem Interview mit der PNP. „Wir leisten Lobbyarbeit für das Wasser.“ Das wird in den nächsten Jahren zweifellos noch wichtiger werden.

Beitrag über die Führungskräftetagung der bayerischen Wasserversorger in Erding auf Lebensraumwasser (Link s.u.)

Klimawandel: besorgniserregender Trend erkennbar

Schuld an allem scheint der Klimawandel. Dieser wirkt sich auf die Wasserversorgung aus – und auf den Wasserverbrauch. Die Grundwasserpegel in Bayern gehen zum Teil auch in tieferen Schichten zurück. In manchen Regionen kam es bereits zu Problemen mit der Wasserversorgung, die man früher nicht gekannt habe. Ein Blick auf die Karte des Niedrigwasser-Informationsdienstes Bayern zeigt, wo die kritischen Grundwasserstände sichtbar werden. Immer mehr Punkte werden gelb (niedrig bis sehr niedrig) und sogar rote Grundwasserstände sind sichtbar. Die Situation im unteren Grundwasser-Stockwerk ist nicht wirklich beruhigend. Seit Mitte Juni 2019 bis zum 14.8.2019 hat sich die Zahl der Messstellen mit zwischen „niedrigen“ und „niedrigsten Ständen“ von 93 auf 143 um mehr als 50 Prozent erhöht. Auch wenn die Niederschläge der letzten Tage den Trend mindestens bremsen könnten.

Grundwasserstände und Quellschüttungen in Bayern (Stand 14.8.2019)
Quelle: NID -Niedrigwasser-Informationsdienst Bayern

Besorgniserregend ist die Situation wohl noch nicht. Aber sie sollte ein Alarmsignal sein. Denn das Wasser in den tiefen Schichten, das vor allem in weiten Teilen Niederbayerns durch Tiefbrunnen genutzt wird, speist sich durch zusickerndes Wasser aus den darüber liegenden Stockwerken und diese werden durch Regenwasser gespeist. Wie soll das gehen, wenn der Regen ausbleibt? Die Grundwasserleiter erneuern sich ehedem nur über lange Zeiträume. Was heute an Grundwasser fehlt, war vor Jahren als Regen ausgeblieben. Man muss dem Grundwasser Zeit lassen, sich neu zu bilden. Die Ausgewogenheit kann nicht in wenigen Jahren erzeugt werden. Deshalb wird heute Grundwasser verwendet, das auch nachfolgende Generationen benötigen. Schlimmer ist es in Regionen, die ihre Trinkwasser nicht aus Tiefbrunnen, sondern aus oberen Schichten beziehen. Die Wasseradern dort reagieren schnell auf Niederschlag. „Es kann sein, dass es in den nächsten Jahren viel regnet„, erläutert Schmitz im Interview mit der PNP. Dann würde sich die Situation entschärfen. Verlassen sollte man sich darauf allerdings nicht. Es könnte auch so weitergehen wie 2018 und 2019. Dann wird es schlimmer. Mittelfristige Entspannung kann lediglich der angekündigte Regen bringen.

Womöglich werden sich auch die Bayern an Wasserspar-Appelle gewöhnen müssen

Falls die Klimaentwicklung sich fortsetzten sollte, werden sich die Wassernutzer auf härtere Zeiten einstellen müssen. Was heute in Bayern und in anderen Regionen nur Ausnahmen sind, wenn Landratsämter, Wasserbehörden und Wasserversorger zum sparsamen Umgang mit dem Wasser aus der Natur oder aus der Leitung aufrufen, könnte in Zukunft zur Regel werden. Vor dem Hintergrund der niedrigen Grundwasserstände in Niederbayern hat die Regierung die Bürger und Unternehmen zum sparsamen Umgang mit Trinkwasser ausgerufen: „Wir alle müssen mit dem kostbaren Gut Trinkwasser daher besonders sparsam umgehen“. Um das zu erreichen, gibt die Regierung in einer Pressemitteilung Empfehlungen für den Umgang mit Trinkwasser:

  1. Die Verwendung von Regenwasser statt Trinkwasser ist beispielsweise bei der Gartenbewässerung eine effektive und einfache Möglichkeit, Trinkwasser zu sparen.
  2. Swimming-Pools und Schwimmteiche sollten in dieser angespannten Lage nur noch in Ausnahmefällen befüllt werden.
  3. Bei der Reinigung von Kraftfahrzeugen kann durch die Benutzung von Waschanlagen mit Wasserrückführung wirksam Trinkwasser gespart werden.
  4. Für die Industrie, das Gewerbe und die Landwirtschaft kann – soweit keine Trinkwasserqualität notwendig ist – die Verwendung von Wasser aus abflussstarken, oberirdischen Gewässern, Regenwasser, die betriebliche Mehrfachverwendung des Wassers oder im Ausnahmefall auch die Entnahme aus oberflächennahem Grundwasser eine Alternative zum Trinkwasser sein.

Ein wenig überraschend mag sein, dass sich der Sparappell nur auf das Trinkwasser aus der Leitung, nicht aber auf das Oberflächen- und Grundwasser bezieht – auf dieses dagegen als Alternative sogar ausdrücklich hingewiesen wird. Meine Nachfrage bei der Regierung Niederbayern bringt Klarheit: „Ziel des Aufrufs war der Hinweis an die Bevölkerung, nicht verschwenderisch mit Trinkwasser umzugehen und dass für Wasserverbrauch, der notwendig ist, aber für den keine Trinkwasserqualität erforderlich ist, auf Wasser ohne Trinkwasserqualität ausgewichen werden kann. Natürlich arbeitet die Regierung weiter daran, das Grundwasser zu schützen. Aus diesem Grund findet unter anderem am 15. Oktober 2019 das Wasserforum Niederbayern statt, bei dem das Thema Grundwasserschutz aus vielen Blickwinkeln beleuchtet wird“, antwortet Sarah M. Pancur, Pressesprecherin der Regierung von Niederbayern, umgehend.

Wasserversorger müssen Wasserverluste angehen

„Wenn Wasser fehlt, interessiert sich die Öffentlichkeit sogar für Wasserrohrbrüche“, höre ich von einem bayerischen Versorger. Dafür gibt es gute Gründe. Denn über Wasserrohrbrüche geht wertvolles Trinkwasser verloren. Solange genug davon da war oder es zumindest so schien, war es ein Thema für Experten. Jetzt wird gefordert, das Thema offensiv anzugehen. Spätestens wenn es um Wasserrechte geht, muss der Nachweis geführt werden, dass „die Hausaufgaben gemacht“ sind. Das aber wird vielen bayerischen Versorgern nicht leicht fallen. Zwar wurde die Das Landesamt für Umwelt Bayerns (LfU) erklärt die Wasserverluste mit 11,7 Prozent als zu hoch und die Netzerneuerungsrate mindestens dafür als zu gering. Auch wenn man die Datenquelle nicht beurteilen kann und die Kennzahl nicht das Maß aller Dinge ist, eine Orientierung gibt sie doch. Das seit Jahren wegen der vergleichsweise geringen Teilnehmerzahl vor sich her dümpelnde Benchmarking Trinkwasser Bayern (EffWB) attestiert den Teilnehmern am Projekt „Lernen von den Besten“ mittlere bis geringe Wasserverluste, aber wie es bei der Mehrzahl der Nichtteilnehmer aussehen mag, kann man vielleicht der Einschätzung des LfU entnehmen. Für diese Entwicklung mag es viele Gründe geben. Eine Einschätzung stammt auch aus einer amtlichen Quelle. So liest man beim LfU in einem Vortrag, dass

  1. kleine Gemeinden oftmals ohne Fachpersonal seien,
  2. häufig wenig Verständnis für die Bedeutung
    der Instandhaltung vorherrsche,
  3. Geld fehlt, da Gebühren oft nicht kostendeckend seien und
  4. nur „moderater Druck“ durch Wasserwirtschaftsämter und Landratsämter bestünde. (Quelle: siehe unten)

Ganz offensichtlich gibt es bei einer nicht zu bestimmenden Zahl an Wasserversorgern Nachholbedarf in der Netzqualität. Darauf mögen auch die durchaus auffällig steigenden Abkochgebote hinweisen. Um das Problem zu bewältigen bedarf es finanzieller Mittel, Partner und qualifizierte Fachkräfte. das Land und die kommunalen Spitzenverbände geben dabei wichtige Hilfestellung. Sei es durch die Anbahnung von Kooperationen, das Werben für die Wasserwirtschaft als Arbeitgeber oder die Fördermittel für Härtefälle und Kooperationen. Die Voraussetzungen müssen aber auch in den Kommunen stimmen.

Höhe der Wasserpreise sollte kein Maßstab sein

Viele Bürgermeister und Landräte brüsten sich in Bayern und andernorts mit günstigen Wasserpreisen. Man hat zuweilen das Gefühl, dass wie sprichwörtlich „der beste Bauer die dicksten Kartoffeln hat“, hat der „beste Bürgermeister die niedrigsten Wasserpreise“. In diesem Dilemma stecken Wasserversorger, bei denen der Bürgermeister oder die Politik Regie führen. Solange alles im Lot ist und keine Risiken drohen, mag das funktionieren, aber wenn es eng wird, muss gehandelt werden. Und es wird eng. Die Wasserwerker klagen, dass sie nicht investieren können, wenn sich die Refinanzierung über höhere Wasserpreise verbietet. Sicher kann man über Effizienzen sprechen, auch lassen sich über Kooperationen Synergien erschließen, aber zu viel darf man nicht erwarten, wenn die Preise für Tiefbau und andere Dienstleistungen im Steigflug sind. Die Sanierung der Leitungsnetze muss akzeptiert werden, nur so lassen sich auch Wasserverluste reduzieren. Auch hier spricht das LfU in bemerkenswerter Offenheit von einem „Sanierungsstau in den bayerischen Leitungsnetzen“.

Sicherheit gibt es nicht zum Nulltarif

Die große Politik gibt den Kommunen und Wasserwerkern Rückendeckung. So haben der Präsident des Bayerischen Gemeindetages, Dr. Uwe Brandl, und der Umweltminister des Freistaats, Thorsten Glauber, im Mai 2019 erklärt (siehe LebensraumWasser), dass die Zeit der niedrigen Wasserpreise in Bayern der Vergangenheit angehören sollen. Wasser muss kosten, was es wert ist – und das ist mehr als 1,57 Euro je 1.000 Liter im Landesdurchschnitt. Also sollten die Wasserversorger investieren können. Sicherheit kostet! Es geht nicht nur um intakte Leitungsnetze, sie brauchen auch die richtige Größe. Immer häufiger treten Spitzenabnahmen auf. Wenn alle gleichzeitig bewässern, dann kann es schon mal eng werden in den Rohren. Dann können sie bersten. Und schon ist der Rohrbruch da. Besser wäre es Hochbehälter zu bauen und zu pflegen. Auch da hört man Besorgniserregendes. Hochbehälter, um Wasser für Spitzenbedarfe zu speichern, werden zurückgebaut, statt saniert. Für die Sicherheit müssen dann andere sorgen. Immer häufiger sind es die Vorlieferanten. Sei es der Wasserversorger für den Industriebetrieb oder der Fernwasserversorger für die Wasserwerke. Einer muss für Sicherheit sorgen. Die Kosten hierfür sollten aber nicht solidarisiert werden. Wer Sicherheit fordert, der muss auch dafür bezahlen. Das wird neue Impulse in die Anlagentechnik, in die Zähler und in die Wasserpreissysteme bringen. Es wird sich vieles ändern. Wer Sicherheit zu schätzen weiß, wird das verstehen und bezahlen. Man muss es aber erklären. Jetzt umso mehr. Auch das sind wichtige Botschaften für die Wasserwerker des WIT.

Jetzt ist also die Politik gefragt. Sie muss zulassen und flankieren, was unvermeidbar ist. Für die Kommunal-Politiker in Bayern muss es jetzt darum gehen, die beste und sicherste Wasserversorgung vorzuweisen, nicht die billigste. Denn, wie der Zufall es will, sind im März 2020 die Kommunalwahlen. Nirgendwo in Deutschland wird so krachend Politik gemacht, wie in Bayern. Und da kommen plötzlich Anzeichen einer „Wasserkrise“. Man wünscht es den Wasserwerkern, dass sie weiterhin gehört werden und sich die Vernunft durchsetzen wird. Ich bin sicher nicht als einziger „Nicht-Bayer“ gespannt, wie „die Bayern“ damit umgehen werden.

Quellen/Weiterführendes

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  1. Impulse für Bayerns Wasserwirtschaft im „Sommerinterview“ - LebensraumWasser Der Wasser-Blog
  2. Zukunftsorientierte Wasserwirtschaft – Die neue Wassersensibilität (Gastbeitrag Dr. Juliane Thimet) | LebensraumWasser Der Wasser-Blog

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