Die Stadtwerke Bad Kreuznach wollen ihr Wasserpreissystem zukunftsorientiert umstellen

Vor vier Jahren erarbeiteten die Stadtwerke Bad Kreuznach einen Vorschlag, ihr Wasserpreissystem zukunftssicher und verursachungsgerechter auszurichten. Die Umstellung war damals von den politischen Gremien zurückgewiesen worden, morgen steht im Stadtrat ein neuer Versuch an. Die Rahmenbedingungen haben sich zwar zwischenzeitlich verschoben, an der Notwendigkeit hat sich aus Sicht der Stadtwerke nichts geändert.

„Systempreismodell“ für mehr Verursachungsgerechtigkeit und Planungssicherheit

Wie viele andere Wasserversorger wollen auch die Stadtwerke Bad Kreuznach ihre Wasserpreise auf das Systempreismodell umstellen. Dieses von RWW entwickelte und im Jahr 2012 erstmalig eingeführte Wasserpreissystem basiert auf der Anzahl der Wohneinheiten anstelle der üblichen Zählergrößen und ist somit in der Lage, die hohen Fixkosten verursachungsgerechter auf alle Kunden umzulegen. Den Unternehmen bietet es die für die Zukunft dringend benötigte höhere Planungssicherheit für die erforderlichen Investitionen in die Versorgungsinfrastruktur. Die Umstellungen erfolgen – wie auch bei den Stadtwerke Bad Kreuznach geplant – für gewöhnlich umsatzneutral, d.h. ohne Preiserhöhungen.

Öffentlicher Anzeiger (Rhein-Zeitung) vom 2.6.2020

Die Stadtwerke Bad Kreuznach sind in ihrem Vorgehen sehr transparent. Ich begleite das Unternehmen bei der Kommunikation der geplanten Umstellung. Schon 2016 durfte ich den damaligen Vorschlag auf einer eigens dafür eingerufenen Bürgerversammlung vor über 100 Teilnehmern vorstellen. Die anfängliche Zurückhaltung der Bürgerschaft wich der Erkenntnis, dass die in Folge der Umstellung eintretenden Mehr- oder Minderkosten auf Seiten der Kunden in Anbetracht der wasserwirtschaftlichen Notwendigkeit der Maßnahme sehr vertretbar seien. So sorgten die aufgezeigten Umstellungseffekte für die Kunden zwar für Diskussionen, schnell stellte sich allerdings heraus, dass die absoluten Beträge, die auf die überwiegende Mehrzahl der Kunden zukommt, sich in einer Größenordnung von weniger als einem Euro pro Monat und Familie bewegt. Das Entscheidende aber war, dass es zu einer verursachungsgerechteren Umverteilung zwischen den Kunden kam. Eine Bürgerin brachte auf den Punkt: „Die Zukunftssicherheit für unsere Kinder und Enkelkinder ist wichtiger als die Mehr- oder Minderkosten bei einer Preisumstellung.“ Diese Maßgabe bleibt für die Stadtwerke weiterhin leitend bei dem Bestreben, die Wasserpreise für Bad Kreuznach zu reformieren.

Die Zukunftssicherheit für unsere Kinder und Enkelkinder ist wichtiger als die Mehr- oder Minderkosten bei einer Preisumstellung.“

Aussage einer Bürgerin bei der Bürgerversammlung im Oktober 2016

Das typische „Preis-/Kosten-Dilemma“ der Wasserversorger entsteht durch die hohen Fixkosten

Die Stadtwerke Bad Kreuznach betreiben für die Versorgung 34 Brunnen, zwei Wasserwerke, 23 Behälteranlagen und 493 Kilometer Leitungsnetze. Diese müssen laufend instand gehalten und modernisiert werden. Erweiterungsinvestitionen in die Netze werden durch Neubaugebiete ausgelöst. Die daraus resultierenden Kosten sind mit 75 Prozent zu einem großen Teil fix, sie entstehen unabhängig von der abgesetzten Wassermenge und sind auch nur sehr langfristig abbaubar. Lediglich die restlichen 25 Prozent der Kosten bewegen sich mit den Absatzmengen.

Auszug aus der Präsentation der Bürgerversammlung am 25.10.2016 (Q: SW Bad Kreuznach)

Während die Kosten der Stadtwerke Bad Kreuznach zum größten Teil mengenunabhängig sind, stellt sich die Struktur der Wasserpreise spiegelbildlich dar. Diese sind nur zu rund 16 Prozent fix. Damit entstammen 84 Prozent der Gesamtumsatzerlöse aus nachfragebedingt schwankenden und unsicheren (Mengenpreis-)Einnahmen. Das beeinträchtigt die Planungssicherheit und könnte sich auf die Investitionen in die Versorgungsanlagen in Bad Kreuznach auswirken. Um dem entgegenzuwirken, wollen die Stadtwerke die Kostenstruktur und die Preisstruktur einander annähern, um die Einnahmestabilität zu stärken. So soll der feste Entgeltbestandteil angehoben und im Gegenzug der Mengenpreis ein klein wenig gesenkt werden. Um die Verteilung verursachungsgerechter zu gestalten und starke Be- oder Entlastungen zu vermeiden, sollen die Wohneinheiten als Bemessungsgrundlage gelten und den Wasserzähler ablösen. Mit dem Systempreis sollen dann die Vorhaltekosten für das Versorgungssystem beglichen werden.

So gering waren die Be- und Entlastungen bei RWW in Folge der Umstellung (Q.: RWW)

Wer sich wirtschaftlich zukunftsorientiert aufstellen will, kommt an der Preisumstellung eigentlich nicht vorbei. Die Vorhalteleistungen steigen tendenziell an, damit auch die fixen Kosten, nur die fixen Preise dürfen sich nicht im gleichen Maße verändern. Ihr Anstieg trifft dies in erster Linie die Einfamilienhäuser, denn sie können sich die Grundpreis-Zahlungen nicht mit anderen teilen. Das Zähler-Preissystem führt also zu zunehmenden Ungerechtigkeiten. Schon jetzt gibt es Versorger in Deutschland, die auf dieses Dilemma mit Investitionszurückhaltung reagieren.

Nachfrageschwankungen nehmen zu und erfordern hohe Vorhalteleistungen

Waren 2016 demographische Veränderungen die Auslöser für das Umstellungsprojekt in Bad Kreuznach, so sind es jetzt die starken Absatzschwankungen und die steigenden Anforderungen an die Versorgungssicherheit und Trinkwasseraufbereitung, wie die Sitzungsvorlage berichtet. Der Klimawandel und die damit einhergehenden Trockenmonate im Sommer führen auch dort zu immer stärkeren Verbrauchsspitzen. Das Löschwasser stellt eine zusätzliche Herausforderung dar. Damit verbietet sich eine Anpassung der vorgehaltenen Kapazitäten aus Gründen der Versorgungssicherheit; losgelöst davon liessen sich Fixkosten ehedem nur sehr langfristig reduzieren. Der öffentliche Trinkwasserversorger muss der Bevölkerung und den Betrieben das benötigte Wasser jederzeit liefern können. Wie wichtig die Versorgungssicherheit ist, hat sich in den Corona-Zeiten gezeigt.

Wassersparen wird durch Preisumstellung nicht beeinflusst

Die Bürger wollen aber ungeachtet des Wasserbedarfs im Sommer, sorgsamer mit den Wasserressourcen umgehen und stellen verstärkt auf Wassersparen um. Neubaugebiete weisen heute schon geringere spezifische Verbräuche auf, als in Bestandsbauten. Die Sommerdürre und Berichterstattung darüber wirkt sich in den Nicht-Sommermonaten auf den Verbrauch aus. Damit sinken die Absatzmengen, was die Verbrauchsstatistiken im Bundesgebiet belegen. Auch in der Industrie kommt immer Wasser zum Einsatz. Vielfach hängt dies auch mit der Energieeffizienz zusammen, denn Wasser wird beispielsweise im Haushalt zu rund Zweidrittel erwärmt, bevor es genutzt wird. Wassersparen „lohnt“ sich auch nach den Preisumstellungen, schließlich wird gleichzeitig bei Abwasser und Energie gespart. Zudem zeigen Untersuchungen nach erfolgten Umstellungen, dass der Preis keine Auswirkungen auf den Wasserverbrauch hat. Dies begründen auch wissenschaftliche Untersuchungen und der Blick in die Praxis: in Mehrfamilien-Miethäusern mündet der Wasserpreis des Versorgers in der Betriebskostenabrechnung des Vermieters. Das sind nicht selten Pauschalen, das Wassersparen kann sich da gar nicht in der Haushaltskasse auswirken.

Wasserpreisumstellungen sind mittlerweile ein Branchenstandard

Die Umstellung der Wasserpreise auf das Systempreismodell hat sich bei einer Vielzahl von Versorgern bereits langjährig bewährt. Neben der RWW, als Pionier, haben mittlerweile die Kölner Rheinenergie-Gruppe, die Stadtwerke in Ratingen, Velbert, Jülich, Dormagen, Düren, Waldbröl, Aschersleben, Eschweiler und die Verbände Hochsauerlandwasser und Aldenhoven überaus positive Erfahrungen mit der Umstellung sammeln können.

Weitere Umstellungen stehen bevor, wie die Projektliste von RWW/MOcons zeigt. Die Kartellbehörden begegnen den Projekten überwiegend zustimmend. Dabei erkennen sie an, dass dadurch für die einzelnen Kunden Mehr- oder Minderkosten entstehen können.

Der BDEW berichtet, dass sich die Grundpreisanteile in der Zeit von 2011 bis 2019 von 11,5% auf mittlerweile bundesweit 16,3 % erhöht haben. Die Entwicklung könnte kaum deutlicher dargestellt werden. Viele Versorger klagen immer noch über die Ausgangslage und wollen sie durch Preisumstellungen verbessern. Die Stadtwerke Bad Kreuznach sind auf dem richtigen Weg.

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