Bringen die Wasserpreis-Proteste die Irland’s Regierung in Gefahr?

In Irland geht es heiß her. Während überall in Europa die Temperaturen sinken, kocht es auf den Strassen der Grünen Insel. Dies hat nichts mit dem Wetter zu tun, sondern mit der Einführung eines neuen Wasserpreissystems. Nein, eigentlich nicht neu, sondern erstmalig. Und genau das ist der Grund. Als Folge der Finanzkrise hatte die irische Regierung von der Europäischen Kommission klare Sanierungsvorgaben erhalten. Dazu gehörte auch, dass Wasserversorgung nicht kostenlos sein dürfe. Bis dato bezogen die irischen Haushalte ihr Trinkwasser nämlich ohne etwas dafür bezahlen zu müssen.

Nach vermeintlich sorgfältiger Vorbereitung wurde den Iren im Herbst 2014 ihr Wasserpreissystem vorgestellt – und eine Welle der Entrüstung ausgelöst. Erster Stein des Anstosses: der Wasserzähler. Diesen braucht nämlich die neue staatliche Wassergesellschaft Irish Water, um den Verbrauch überhaupt zu erfassen können. Und genau dessen Einbau in den Häusern wollen die zahlreichen irischen Wasserpreis-Gegner jetzt verhindern. Notfalls auch mit Gewalt, wie bürgerkriegsähnliche Zustände in den Straßen zeigen. Ab Frühjahr 2015 sollen die Iren zur Kasse gebeten werden. 3,70 Euro sind pro Kubikmeter Wasser und Abwasserentsorgung zu zahlen. Da dies ohne Zähler aber nicht geht, wenn der Zählereinbau verweigert wird, sind pauschal 160 Euro für den Einpersonenhaushalt und 260 Euro für den Mehrpersonenhaushalt fällig. Nach dem landesweiten Protesttag am 1. November knickte die irische Regierung das erste Mal ein und reduzierte die ursprünglich höher angesetzten Wasserpreise deutlich. Auch nahm sie die Strafen für „Zähler-Verweigerer“ zurück. Zudem verkündete Irish Water Mitte November auch den Verzicht auf die Erhebung der Sozialversicherungsnummern, die Kontrollen ermöglichen sollten, sowie die heftige kritisierten Leistungsprämien für ihre Mitarbeiter und einige weitere Bausteine des Wasserentgeltsystems, die den irischen Protest angeheizt hatten. Geholfen hat es kaum, wie die Bilder dieser Tage zeigen. Viel weiter werden die Zugeständnisse nicht gehen können. Denn ein Zurück zum kostenlosen Wasser wird es nicht geben. Irland muss investieren. In den vergangenen Jahren wurde das Versorgungssystem auf „Sparflamme“ gesetzt. Die Folgen sind gravierend, so gehen fast 50 Prozent des Trinkwassers in den Leitungen verloren (in Deutschland sind es mal gerade fünf Prozent) und die Hälfte der Kläranlagen des Landes erfüllen nicht die EU-Umweltstandards. Was fehlt ist nicht nur eine solide Finanzierung, eine Finanzierung fehlt gänzlich, weil es keine Entgelte für die Nutzung der Wasserversorgungssysteme gibt.

The journal.ie (11.12.2014)
The journal.ie (11.12.2014)

Vertreter der Europäischen Kommission haben noch vor wenigen Tagen in Brüssel klar gemacht, dass es Subventionen für die Wasserversorgung in Europa nur nach dann geben darf, wenn die Bürger dafür auch angemessen bezahlen. Davon werden Zahlungen für die Regionalentwicklung abhängig gemacht (siehe Bericht klick hier!). In Brüssel tickt eine Bombe, was den Iren noch nicht bewusst zu sein scheint. Hierzulande und in anderen Haushalten Europas schütteln die Menschen ehedem den Kopf – und schreiben es in die vielen Kommentare. Denn vergleicht man die Preise, dann erhalten die Iren zumindest ihr Trinkwasser im Vergleich zu Deutschland quasi immer noch umsonst. Denn 3,70 Euro pro Kubikmeter zahlt man hier vielerorts schon allein für Abwassergebühren. Dass die Iren es dennoch anders sehen, zeigt auch eine Befragung von IPSOS. Demnach wollen 38 Prozent der Iren ihre Zahlung bei den im nächsten Jahr eintreffenden Wasserrechnungen verweigern. Dabei hatten über 50 Prozent der knapp 15.000 Teilnehmer einer Online-Befragung des irischen Magazins The journal.ie erklären, dass sie die anfallenden drei Euro in der Woche werden bezahlen können. Insoweit könnte man meinen, dass das Thema überbewertet wird.

Jetzt wird es politisch – Wasserpreise könnten die Regierung gefährden

Mittlerweile ist das Wasserpreis-Thema aber auch in der Landespolitik angekommen und rüttelt an den Toren der Regierung. Die linken Oppositionsparteien wittern Morgenluft und wollen das Wasserthema für sich nutzen. Sinn-Fein-Präsident Gerry Adams forderte am vergangenen Mittwoch in einer flammenden Rede vorgezogene Neuwahlen. Seine Anhänger tobten und feierten Korrespondentenberichten zufolge schon den Wahlsieg. In aktuellen Umfragen überholte Sinn Fein die beiden Volksparteien. Sie wären möglicherweise auch bereit, die Regierung abzuwählen, wenn sie sich nicht auf die Forderung der Wassernutzer einlassen sollte. Irische Kommentatoren trauen der wachsenden Wut über die Wasserzähler das Potenzial zu, die gegenwärtige Regierung Kenny zu gefährden. Während in der Vergangenheit zwei Parteien die Wahlen unter sich ausmachten, zeigen aktuelle Befragungen, dass  vier Parteien fast Kopf-an-Kopf stehen.

Ergebnisse der Irish Times/IPSOS-Wählerbefragung
Ergebnisse der Irish Times/IPSOS MRBI-Wählerbefragung

Die größte Zustimmung mit 31 Prozent und den größten Zuwachs mit doppelter Zustimmung im Vergleich zu Oktober 2012 konnten die Unabhängigen für sich verbuchen. Die Linke Sinn-Fein liegt mit 22  Prozent an mittlerweile zweiter Stelle, während die regierende pro-europäische Fine Gael auf 19 Prozent zurückgefallen ist. Im Oktober 2012 lag sie noch bei 31 Prozent. So zeigt die Zwischenbilanz des Wählervotums, dass zwar nicht nur, aber insbesondere, dass das Wasserthema die Mehrheiten in Irland auf den Kopf stellen kann. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass sie die Regierung abwählen, wenn sie sich nicht auf die Forderungen der Wasserpreis-Gegner einlässt. Noch haben alle Parteien Zeit sich zu positionieren. Von vereinzelten Nachwahlen abgesehen, wird es die Wahlen zum irischen Parlament erst 2016 geben. Ob die Gegner des Wasserpreissystems dann einen Grund haben, mit Leitungswasser anzustossen, weil sie die jetzige Regierung abgelöst haben werden, wird sich dann zeigen.

Weitere Details zur Wählerbefragung siehe Irish Times (Klick hier!)
Berichte zu dem Thema Nasdaq / Irish Times / the journal.ie /

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