Aufklärung kann Umwelt und Wasserqualität vor Arzneimittelrückständen schützen

Arzneimittelrückstände belasten unsere Gewässer und Böden, sie gefährden unsere Gesundheit. Was als Produkt unserer Gesundheit dienen soll, schadet ihr, wenn es nach der Behandlung ausgeschieden oder als Reststoff entsorgt wird. Denn die hohe Wasserlöslichkeit und die Stabilität der Medikamente, Eigenschaften die für die therapeutische Wirkung wichtig sind, können aus Umweltsicht schädlich sein. Arzneimittelrückstände können in Spuren im Grundwasser nachgewiesen werden – manchmal auch im Trinkwasser. Trinkwasserhygienisch sind diese Arzneimittelspuren zwar unerwünscht, für den Menschen besteht dadurch nach heutigem Stand der Wissenschaft aber keine konkrete Gesundheitsgefahr. Pro Liter Wasser handelt es sich dabei um Bruchteile eines Mikrogramms. Dies sind Konzentrationen, die unter denen liegen, bei denen eine Arzneimittelwirkung auf den Menschen feststellbar ist. Die im Trinkwasser nachgewiesenen Mengen sind 100.000 bis eine Million mal niedriger als die verschriebene Tagesdosis. So gibt das Umweltbundesamt (UBA) für uns Menschen Entwarnung und erklärt: „Ein Risiko für die menschliche Gesundheit besteht nach heutigem Wissenstand jedoch nicht“. Trotzdem werden, um die Umwelt und die Gesundheit zu schützen, Maßnahmen dringend erforderlich sein, die das Eindringen von Arzneimitteln in die Gewässer verhindern.

Aber ganz so harmlos ist es dann doch nicht
Das Spektrum der zugelassenen Arzneimittelwirkstoffe ist groß. Auf dem deutschen Markt sind laut UBA derzeit allein rund 2.300 verschiedene Wirkstoffe für den Humanarzneimittelbereich verfügbar, von denen etwa die Hälfte als potentiell umweltrelevant gilt.

Die Haupteintragsquelle für Human-Arzneistoffe in der Umwelt bildet das häusliche Abwasser. Anders als häufig diskutiert, sind es wohl weniger die Herstellungsbetriebe für Arzneimittel, Krankenhäuser oder andere medizinische Einrichtungen durch die die Medikamente in das Abwasser gelangen, als vielmehr die häusliche Toilette. Dies bestätigt Dr. Wolf von Tümpling vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig gegenüber dem Fachmagazin Pharmazeutische Zeitung: »Die Arzneimitteltherapie hat sich zunehmend in den ambulanten Sektor verlagert. Damit wird der Eintrag von Medikamenten in die Gewässer dezen­tralisiert. Die Abwässer von Krankenhäusern können separat einer Spezialbehandlung unterzogen werden. Verteilen sich Arzneimittel über kommunale Abwässer, ist das so nicht möglich.« Zehn bis fünfzehn Prozent aller Medikamente werden nach Untersuchungen des Umweltbundesamtes von Patienten gedankenlos in der Toilette entsorgt. Dazu kommt die unbewusste Entsorgung, d.h. Arzneien, die der menschliche Körper nicht vollständig verwerten kann und deshalb wieder ausscheidet oder Salben, die beim Duschen und Waschen abgespült werden, bevor sie in die Haut eingezogen sind. Bei Antibiotika werden durchschnittlich 70 Prozent der Wirkstoffe ausgeschieden. Dramatische Zahlen, weil diese Medikamente zunehmend unser Wasser kontaminieren. Im Jahr 2011 hat jeder gesetzlich Versicherte etwa 9 Packungen Arzneimittel mit 520 definierten Tagesdosen verschrieben bekommen. Hinzu kommen die in Apotheken frei verkäuflichen Medikamente wie Erkältungs- und Schmerzmittel. Nicht alle wurden eingenommen. Es stellt sich die Frage, auf welchem Wege die verbliebenen Reste entsorgt worden sind. Vieles spricht bei Flüssigkeiten für die häusliche Toilette. Denn wir haben doch gelernt, dass Behältnisse, gleich ob Glas oder Kunststoffe zunächst entleert werden sollen, bevor sie in die „Gelbe Tonne“ oder den Glascontainer gelangen. Was liegt näher, denken womöglich viele, als der Ausguss oder die Toilette?

Was kann getan werden? Vorschlag: Vorsorge durch Aufklärung
Wir stellen also fest, dass ein Großteil dieser Arzneimittelmengen unverändert oder als Abbauprodukt in Gewässer und Böden gelangt. Viele Stoffe reichern sich über Jahre und Jahrzehnte an und wirken wie eine Zeitbombe. Das heisst, mit kurzfristigen Erfolgen darf auch bei sofortigem Handeln nicht gerechnet werden. Viele Arzneimittel haben im doppelten Sinne eine „Langzeitwirkung“.

Bevor die Diskussion über die Sinnhaftigkeit und Kostenverteilung von Investitionen in zusätzliche Aufbereitungsstufen wie der 4. Reinigungsstufe bei Kläranlagen vertieft wird, sollte die Ursache für den Eintrag in die Gewässer bekämpft werden. Hier scheinen noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Die Verbraucher müssten über ihren Beitrag zur Vermeidung von Medikamentenrückstanden in häuslichen Abwässern aufgeklärt werden. Die Deutsche Umwelthilfe fordert Sammelsysteme für Medikamente auf Basis einer EU-Richtlinie aus dem Jahre 2004. Diese hat jedoch Deutschland bis heute nicht umgesetzt. Im Herbst 2013 ist zudem ein Antrag der Linken im Bundestag gescheitert, der die Einführung eines solchen Systems vorsah.

Natürlich könnten Verbrauchern bundesweit einheitliche Rückgabemöglichkeiten in Apotheken angeboten werden. Hier könnten gerade die lokalen Apotheken ihren Standortvorteil gegenüber den Internet-Apotheken ausspielen. Es wäre für die Kunden ja nur konsequent, dass sie Altmedikamente dorthin zurück bringen können, wo sie die Neuen erhalten.

Aber da setzt ja genau das Problem an. Viele Verbraucher kennen gar nicht die Risiken die aus der unsachgemäßen Entsorgung der Altmedikamente herrühren. Sie glauben etwas Gutes zu tun, wenn sie die Flüssig-Arzneimittel im Ausguss entleeren, um die Flaschen – die ja entleert sein müssen – in die Glassammlung geben zu können. Sie entleeren die Blisterverpackungen in der Toilette, damit sie entleert in die Wertstoffsammlung gelangen. Oder, und das ist sicher lobenswert, sie geben die Medikamente in der Apotheke ab.

Aber ist dies überhaupt nötig? In Deutschland werden Restabfälle in Hausmüllverbrennungsanlagen entsorgt. Zu diesen Restabfällen gehören auch Arzneimittel – und zwar egal, ob sie aus dem Haushalt oder aus der Apotheke stammen, nachdem sie vorher dort abgegeben worden waren. Das bedeutet, die Arzneimittel, die in der Apotheke abgegeben werden, gehen denselben Weg wie jene Arzneimittel die vom Haushalt direkt in die Abfalltonne gelangen: in die Hausmüllverbrennung. Durch die Verbrennung werden die ggf. in Restabfällen wie Altmedikamenten enthaltenen Schadstoffe weitgehend zerstört oder inaktiviert. 

Damit stellt sich die Frage, ob nicht Arzneimittel von den Verbrauchern direkt in die Restmülltonne geworfen werden sollten, wenn sie abgelaufen sind oder nicht mehr benötigt werden. Warum soll ein Kosten verursachendes Rücknahmesystem aufgebaut werden, das irgendjemand zahlen muss? Machen wir uns nichts vor, egal ob Apotheken oder Pharmaindustrie sie zunächst übernehmen, am Ende belasten sie doch wieder die Verbraucher.

Fazit und Empfehlung
Arzneimittel ordnungsgemäß entsorgen kann jeder. Den Weg dafür gibt es schon. Er führt nicht zum Ausguss oder bis in die Apotheke, es reicht die Restabfalltonne. Das schont die Umwelt und erzeugt keine zusätzlichen Kosten. Es gibt also Möglichkeiten etwas für die Umwelt zu tun und unsere Gewässer zu schützen. Letztendlich profitieren auch wir davon mit unbeeinträchtigtem, gesundem Trinkwasser und der Vermeidung zusätzlicher Kosten.

Entsorgungswege für Altarzneimittel aus Haushalten

Zweifellos gibt es Nachholbedarf bei der Aufklärung der Verbraucher. Es besteht hier viel Unsicherheit und Unwissenheit. Hier ist eine gemeinsame Aktion der Wasserversorger, Apotheker und der Pharmaindustrie gefragt. Fangen wir damit an! Verbraucher sollten über den verantwortungsvollen Umgang mit Altarzneimitteln aufgeklärt werden.

Wie könnten solche Maßnahmen aussehen?

  • Zunächst einmal können die Apotheken als wichtige und vertrauenswürdige Kontaktstelle zu den Patienten eine entscheidende Rolle einnehmen. Sie könnten dazu beitragen die Unsicherheit zu beseitigen. So könnten sie den Medikamenten beim Verkauf Aufklärungszettel mit Entsorgungshinweisen beifügen und die Kunden auf Anfrage informieren. Plakate in Apotheken bieten Informationen und erzeugen Aufmerksamkeit
  • Apotheker sollten ihren Kunden erläutern, dass von Altmedikamenten mit einigen Ausnahmen keine unmittelbare toxikologische Gefahr ausgeht, wenn sie diese in die Restmülltonnen geben. Sie nur vor Zugriffen von Dritten geschützt z.B. in Zeitungspapier eingewickelt werden.
  • Internetapotheken könnten Hinweise auf ihrer Website bzw. auf den Versandbelegen anbringen.
  • Gemeinsame Kampagnen von Wasserversorgern und den Apothekenverbänden könnten für zusätzliche Aufmerksamkeit sorgen.
  • Mit Slogans wie „Machen Sie es einfach richtig: Altmedikamente in die Restmülltonne statt in den Ausguss!“ oder „Schützen Sie die Gewässer: die Toilette ist kein Müllschlucker! Altmedikamente gehören in die Restmülltonne“ o.ä.  können die wichtigsten Botschaften in wenigen Zeilen vermittelt werden – prägnant und informativ.
  • Auch die Medien werden diesen positiven Beitrag für den Schutz der Umwelt und Gesundheit mit ihrer Aufmerksamkeit zu würdigen wissen und sicher darüber berichten.
  • Informative und unterhaltsame Beiträge in den Kundenzeitungen bei Apotheken wie der viel gelesenen Apothekenumschau oder ähnliche Zeitungen können mit ihren hohen Reichweiten und der starken Wahrnehmung zusätzliche Unterstützung liefern. Dies gilt auch für die Wasserversorger, auch deren Kundenzeitungen sind eine geeignete Plattform.
  • Die Wasserversorger können ihre Werksführungen oder Wassermuseen nutzen, um für das Thema zu sensibilisieren. Ebenso die Abwasserentsorger bei Besichtigungen der Kläranlagen.
  • Auch könnten kommunale Abfallkalender, -Ratgeber und ähnliche Informationen die Entsorgungshinweise aufnehmen und den geordneten Weg der Entsorgung von Altmedikamenten erläuterten. Deponie war einmal.
  • Die Broschüre „Alte Arzneimittel richtig entsorgen“ des NRW-Umweltministeriums bietet eine sehr gute Vorlage, zumal sie den Verbrauchern die Restabfalltonne als Entsorgungspfad empfiehlt. Eine solche  Kampagne dürfte sich somit auch die Unterstützung der Umweltministerien verdienen.

Es gibt also Möglichkeiten, wie man die Aufklärung zielorientiert vorantreiben könnte. Ein Versuch ist es allemal wert. Erfolgreich umgesetzt, kann es am Ende nur Gewinner geben – allen voran der Umwelt- und Gewässerschutz!

Aufschlussreiche und weiter führende Quellen:

  • Umweltbundesamt – Hintergrundpapier Arzneimittel in der Umwelt: http://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/378/publikationen/09.04.2014_hintergrundpapier_arzneimittel.pdf
  • Lebensraumwasser – Bumerang-Effekt von Altmedikamenten im Abwasser http://lebensraumwasser.com/2013/08/14/bumerang-effekt-von-altmedikamenten-im-abwasser/
  • Pharmazeutische Zeitung: http://www.pharmazeutische-zeitung.de/?id=40244
  • Paul Ehrlich Gesellschaft zu Antibiotika und Antibiotika-Resistenz: http://www.p-e-g.org/econtext/germap
  • WDR-Beitrag: http://www1.wdr.de/studio/essen/themadestages/wasserverbaendeschlagenalarm101.html
  • Tipps zur ordnungsgemäßen Entsorgung: http://www.umwelt.nrw.de/umwelt/pdf/arzneimittelabfall.pdf
  • BUND http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/07_Bundesamt/Veranstaltungen/Symposium2013/symposium2013_vortrag_benning.pdf?__blob=publicationFile&v=2
  • Deutsch Umwelthilfe Altmedikamente http://www.duh.de/uploads/media/Altmedikamente_Hintergrundpapier_12S_220413.pdf

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