EU zu Right2Water: Kommunale Verantwortung bleibt

Die Kampagne „Right2Water“ ist die allererste erfolgreiche Europäische Bürgerinitiative. Sie hat Dank des Erreichens der notwendigen Unterstützung durch 1,695 Millionen Unterschriften aus ganz Europa die EU-Kommission verpflichtet, sich mit ihren Forderungen auseinander zu setzen. Die zentrale Forderung von „Right2Water“ zielte auf den Verzicht der Liberalisierung der Trinkwasserversorgung ab. Am 19. März hat die Kommission ihre Stellungnahme dazu in Form einer Mitteilung vorgelegt. Die Reaktion dürfte die Bürgerinitiative zwar enttäuschen, aber eigentlich nicht überraschen. Denn die Initiatoren der Bürgerinitiative wollten private Akteure aus der Trinkwasserversorgung fern halten. Die Forderung war letztendlich ins Leere gelaufen.

Worum geht es?

Auslöser für den Widerstand waren nicht die Verhaltensweisen der Privaten selbst, sondern ein Instrument: die Dienstleistungskonzessionsvergaberichtlinie. Mit diesem Wort-Ungetüm wollte die EU-Kommission eigentlich sicher stellen, dass auch in der Trinkwasserversorgung die Vergabe von Konzessionen nach transparenten Regeln erfolgt. Allen Akteuren sollten die gleichen Chancen eingeräumt werden. Ein Verfahren, das in anderen Wirtschaftsbereichen üblich ist. Aber Trinkwasser unterscheidet sich von anderen Bereichen: Es ist keine übliches Handelsware. Deshalb wollte die EU hier auch andere Regeln gelten lassen. Die Entscheidungshoheit der Kommunen sollte weiterhin gewahrt bleiben. Trotzdem wurde die Zielsetzung der Kommission, Transparenz und Gleichbehandlung zu schaffen, von der Öffentlichkeit als Versuch gewertet, die kommunalen Trinkwasserkonzessionen der Privatisierung zu opfern. Man fürchtete niedrigere Standards und höhere Preise. Diese Sorge – kombiniert mit der Forderung auf das Menschenrecht auf Trinkwasser und Abwasserentsorgung – hat die Massen mobilisiert und Right2Water zum Erfolg verholfen.

Right2Water
Right2Water

Aber: aus der ursprünglichen Forderung nach Verzicht auf Liberalisierung wurde die Forderung nach Rekommunalisierung. Es entstand der Eindruck, es solle mit der Initiative ein „Bollwerk“ gegen privates Engagement in der Trinkwasserversorgung gebildet werden.

Wie hat die EU jetzt darauf reagiert? 

Schon lange bevor die Initiative right2water zum Abschluss gebracht worden war, wurde die Diskussion zwischen der EU und deutschen Vertretern der Wasserwirtschaft geführt. Zunächst wurde zwischen der Kommission und dem Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft BDEW ein „Wasserausnahmepaket“ vereinbart. Dieses hätte bereits dazu geführt, dass die meisten Unternehmensformen in der Wasserversorgung von der Richtlinie ausgenommen worden wären. Rein kommunale Betriebe wären ganz bestimmt nicht betroffen gewesen. Die Handlungsfreiheit der Kommunen sollte auch weiterhin unberührt werden. Die Bürgerinitiative hätte zu diesem Zeitpunkt schon ins Leere laufen müssen. Nach mehreren Verhandlungsrunden wurde dann sogar die komplette Wasserversorgung vom Anwendungsbereich ausgenommen. Spätestens jetzt hatte auch die Bürgerinitiative ihr eigentliches Hauptziel erreicht.

Was passiert jetzt?

Die EU-Kommission hat jetzt Klarstellung betrieben und die Wirkung der Initiative nicht weiter ausgedehnt. Allem voran den Einfluss auf die Einbeziehung Privater. Die öffentliche Behörden können nämlich beschließen, Wasserdienstleistungen ganz oder teilweise an private oder gemischte Verwaltungseinrichtungen auslagern. In diesem Fall sind die öffentlichen Behörden uneingeschränkt befugt, den Privatunternehmen klare Vorgaben zu machen, um sicherzustellen, dass die in ihrem geografischen Zuständigkeitsbereich erbrachten Dienstleistungen den vorgegebenen Normen entsprechen. Die EU-Kommission bestätigt: „die Versorgung mit Trinkwasser und die Bewirtschaftung der Wasserressourcen ist nicht den Binnenmarktregeln unterworfen“. Die Wasserversorgung ist von der Liberalisierungsagenda ausgeschlossen und, so bestätigt die Kommission, Rechtsvorschriften für die öffentliche Auftragsvergabe seien nicht anwendbar, wenn lokale Behörden beschließen, die betreffenden Dienstleistungen selbst, im Rahmen eines Joint-Venture oder durch ein verbundenes Unternehmen zu erbringen.“ Diese Aussage dürfte eindeutig sein.

Was bedeutet dies? 

Bei der öffentlichen Trinkwasserversorgung steht den kommunalen Entscheidungsträgern wie früher die uneingeschränkte Verfügungsgewalt über die Trinkwasserversorgung zu. Wenn eine Kommune sich entscheidet,  Private einzubeziehen, darf sie selbst die vertraglichen Regeln setzen und deren Einhaltung kontrollieren. Erfolg oder Misserfolg eines privaten Engagements hängen nicht nur von der Qualität des privaten Partners ab, sondern auch von der Governance, dem Steuerungs- und Regelungssystem, das die Kommune entwickelt und anwenden soll(te).

Haben es somit nicht die Kommunen selber in der Hand und bestimmen sie nicht eigenständig die Vorgaben für Ökologie und Ökonomie sowie für verantwortungsvollen Umgang mit dem überlassenen Trinkwasser und dem zugehörigen Versorgungssystem? Wenn dem so ist, besteht dann noch ein Unterschied zu einem rein kommunalen Betrieb? Müssen sich nicht Kommunen und Bürger, die heute Missmanagement und überhöhten Wasserpreise von privaten Anbietern in ihrer Versorgungsregion beklagen, die Frage stellen lassen, warum sie mit dem verfügbaren Instrumentarium diese Entwicklung nicht verhindert haben?

Die Forderung von Right2Water nach mehr Transparenz hat die Kommission übrigens aufgegriffen. Die Öffentlichkeit soll demnach künftig besser über Daten zu kommunalem Abwasser und Trinkwasser informiert und eine öffentliche Konsultation zur bestehenden Trinkwasserrichtlinie gestartet werden. Gleichzeitig appellierte die EU-Kommission an die Mitgliedstaaten, sich im Rahmen ihrer eigenen Zuständigkeit dafür einzusetzen, dass gesundheitlich unbedenkliches, sauberes und erschwingliches Wasser für alle zur Verfügung steht. – Man darf gespannt sein, wie dies auch in solchen Ländern der EU erreicht wird, deren Wasser aus dem Hahn nicht ohne Bedenken getrunken werden kann.

Im Anhang erwähnt die EU-Kommission eine Feststellung, deren Bewertung bemerkenswert ist: „Die Initiative wurde in englischer Sprache registriert. Die Organisatoren legten Übersetzungen der Bezeichnung, des Gegenstands und der Ziele der Initiative in allen Amtssprachen der EU vor. Im Einklang mit der Verordnung über die Bürgerinitiative enthielten die Formulare, auf denen die Bürgerinnen und Bürger ihre Unterstützung für die Initiative erklärten, die Bezeichnung, den Gegenstand und die Ziele der Initiative. Der Link zum Online-Register der Kommission war auch auf den Formularen angegeben, so dass die Bürgerinnen und Bürger weitere Auskünfte über die Initiative abrufen konnten, die die Organisatoren in einem Anhang als Teil ihres Registrierungsantrags bereitgestellt hatten. Dieser Anhang lag nur in englischer Sprache vor (die Organisatoren übermittelten keine Übersetzungen dieses Anhangs) und wurde von den Personen, die die Initiative unterstützen, nicht unbedingt eingesehen“, erklärt die Kommission. Was damit gemeint sein mag, bleibt der Bewertung des Lesers überlassen.

Die vorläufige Endfassung der Antwort der Kommission findet sich hier: http://ec.europa.eu/transparency/com_r2w_de.pdf

Zur Website Right2Water: http://www.right2water.eu/de

1 Kommentar

  1. In der Dienstleistungskonzessionsvergaberichtlinie ging es von vornherein nicht um die Zwangsprivatisierung der Wasserversorgung. Ziel der Richtlinie ist es Günstlingswirtschaft und Korruption bei der Vergabe von Konzessionen durch Städten und Gemeinden einzudämmen. Städte und Gemeinden sollen Konzessionen für die Wasserversorgung und andere Dienstleistungen künftig nach einem transparenten und einheitlichen Verfahren vergeben. Da stellt sich mir die Frage; bei ~1,7 Mio. Unterschriften wird sich doch der ein oder andere Vertreter der Initiative die Richtlinie mal etwas genauer angeschaut haben (allen voran die Organisatoren), inwiefern diese einen wirtschaftlichen oder persönlichen Nutzen aus einem etwaigen Erfolg von right2water gezogen hätten bzw. ob diese Initiative nicht von vornherein vor diesem Hintergrund ins Leben gerufen wurde? Die Tatsache, dass weitergehende Auskünfte über die Initiative ausschließlich in englischer Sprache verfasst wurden, ist meiner Meinung nach ein möglicher Hinweis darauf.

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