Abwasser-Innovationsprojekte werden mit 25 Millionen Euro vom Bund gefördert

Innovationen in der Abwassertechnik sind für eine funktionierende Wasserwirtschaft und zur Ressourcenschonung unerläßlich. Zur Beseitigung von Spurenstoffen, der Rückgewinnung von Phosphor oder Stickstoffen aus Klärschlämmen oder zur Steigerung der Energieeffizienz gibt es viele Ideen, aber wenige großtechnische erprobte Anlagen zu vertretbaren Konditionen. Am Ende müssen Gebührenzahler dafür gerade stehen. Manche Innovation, die der Umwelt dient, ist für Abwasserverbände, Kommunen und industrielle Abwassererzeuger nicht bezahlbarVielerorts werden heute schon zu hohe Abwassergebühren beklagt. Nun kommt finanzielle Hilfestellung vom Bund. Das Bundesumweltministerium (BMU) hat soeben einen neuen Förderschwerpunkt eingerichtet: die „Innovative Abwassertechnik“. Angesichts der zunehmenden Probleme könnte dies ein wichtiger Impuls in Richtung nachhaltige Abwasserwirtschaft sein. Neben der Technologie werden auch Wirtschaftlichkeit und Marktgängigkeit der Innovationen unverzichtbare Anforderungen stellen müssen, denn unsere Gesellschaft braucht diese Lösungen dringend und ohne dass sie die Abwassergebühren in die Höhe treiben, wie es bisher bei der vierten Reinigungsstufe von Kläranlagen zu befürchten war. Der BDEW hatte im vergangenen Jahr vorgerechnet, dass die Aufrüstung aller Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe Mehrkosten von über 37 Milliarden Euro verursachen würde.

Vom End-of-pipe zum integrativen Umweltschutz 

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Rita Schwarzelühr-Sutter hat auf der heute stattfindenden DWA Tagung „DWA Dialog“ (8.10.2018) die Bereitstellung von 25 Millionen Euro aus dem Umweltinnovationsprogramm (UIP) angekündigt. Die Förderung soll technischen Innovationen zum Durchbruch verhelfen und dazu beitragen, den Stand der Technik in der Abwasserbehandlung und Wertstoffrückgewinnung zu verbessern. Fachlich wird der Förderschwerpunkt vom Umweltbundesamt betreut. Früher richtet sich der Förderschwerpunkt des UIP auf end-of-pipe-Technologien, setzten also eigentlich zu spät an, um vermeiden zu können, heute n den letzten Jahren stehen vor allem integrierte Umweltschutzmaßnahmen in allen technischen Bereichen und Branchen im Vordergrund. darauf zielt auch das Programm „Innovative Abwassertechnik“ ab.

Rita Schwarzelühr-Sutter: „Wir wollen neuen umweltfreundlichen Technologien und Verfahren in der Abwasserbehandlung den Weg in den Markt bereiten. Damit schonen wir die Umwelt und tragen zur Modernisierung der Betriebe bei. Das Potential ist groß: Von der Rückgewinnung von Wertstoffen über die Reduzierung von Arzneimittelrückständen und Chemikalien im Abwasser und Klärschlamm bis hin zur Neuausrichtung der Energieversorgung – in all diesen Bereichen wollen wir Innovationen unterstützen.“

Drei Förderkategorien mit Impuls-Charakter – weltweite Phosphatvorräte sinken 

Der neue Förderschwerpunkt „Innovative Abwassertechnik“ umfasst drei Förderkategorien:

Die erste Kategorie „Wertstoffrückgewinnung und -bereitstellung“ zielt darauf ab, Phosphor, Stickstoff und andere Wertstoffe, die derzeit zumeist noch ungenutzt mit dem Abwasser bzw. dem Klärschlamm entsorgt werden, mittels technischer Verfahren zurückzugewinnen und für eine Nutzung im Wirtschaftskreislauf bereitzustellen. Die Techniken können beim Abwasser, beim Klärschlamm oder bei der Klärschlammverbrennungsasche ansetzen. Besonders wichtig ist die Überführung in qualitativ und quantitativ verwendbare Produkte oder Ausgangsstoffe für Produkte. Je nach Volumenstrom sollen mindestens 80 bzw. 50 Phosphor und mindestens 30 Prozent Stickstoff zurückgewonnen werden können.

Weltweit fließen rund 85 % aller abgebauten Rohphosphate in den Düngemittel­markt. Die Schätzungen, wie lange die konventionellen Lagerstätten den Bedarf an Phosphaten noch decken, liegen zwischen 300 und 400 Jahren. Andererseits wird Phosphat von Menschen und Tieren ausgeschieden, so dass Phosphat auch in Wirtschaftsdünger und Klärschlamm enthalten ist. Jährlich fallen in Deutschland etwa zwei Millionen Tonnen Klärschlamm-Trocken­masse an, die etwa 60 000 Tonnen Phosphor enthalten, und in die Verbrennung gehen. Klärschlamm ist also eine mögliche Quelle für ein Phosphorrecycling, wie die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) erklärt, wenn im vor oder nach der Verbrennung der Phosphor entzogen werden kann. Daher soll der Förderschwerpunkt die Umsetzung der novellierten Klärschlammverordnung von 2017 unterstützen. Gemäß dieser ist spätestens ab dem Jahr 2029 bzw. 2032 die Phosphorrückgewinnung sowohl für Kläranlagen als auch für Klärschlammverbrennungsaschen aus Anlagen zur thermischen Vorbehandlung von Klärschlämmen verpflichtend. Insoweit sollen die Innovationen auch die Umsetzung der Klärschlamm-VO ermöglichen. 

Zunahme an Spurenstoffen erfordert neue Technologien die umsetzbar und finanzierbar sind

Die zweite Förderkategorie „Weitergehende Abwasserbehandlung“ betrifft die Reduktion von Spurenstoffen, also Mikroverunreinigungen im Abwasser durch innovative Verfahren unter Berücksichtigung des Energie- und Ressourcenbedarfs und mit möglichst breitem Eliminationsspektrum, beispielsweise Arzneimittelrückstände und Haushaltchemikalien. Hier liegt der Fokus auf innovativen, großtechnischen Umsetzungen auf kommunalen Kläranlagen und deren Abwasserinfrastruktur zur Reduktion von Spurenstoffen, wobei Projekte aus dem gewerblichen bzw. industriellen Bereich nicht per se ausgeschlossen werden, wie die Förderkriterien erklären.

Als Spu­ren­stof­fe wer­den che­mi­sche Ver­bin­dun­gen be­zeich­net, die in ex­trem ge­rin­gen Kon­zen­tra­tio­nen. d.h. im Be­reich von ei­nem oder we­ni­ger Mi­kro­gramm (μg) pro Li­ter in na­tür­li­chen Ge­wäs­sern vor­kom­men kön­nen. Ein Mi­kro­gramm ist ein Mil­li­ons­tel Gramm. Zu den or­ga­ni­schen Spu­ren­stof­fen wer­den bei­spiels­wei­se Arz­nei­be­stand­tei­le, In­dus­trie­che­mi­ka­li­en oder Le­bens­mit­tel­be­stand­tei­le wie künst­li­che Süß­stof­fe ge­zählt. Unsere Lebensgewohnheiten und viele Produktionsverfahren zeihen ein steigendes Aufkommen an Spurenstoffen nach sich. Dort, wo die Vermeidung – wie beispielsweise bei Arzneimitteln oder Röntgenkontrastmitteln bei der Toilette – nicht wirken, muss das anstehende Abwasser gereinigt werden. Hierbei ist dann von der so genannten 4. Reinigungsstufe die Rede. Ein Verfahren, das vergleichsweise wirksam, aber dafür sehr teuer sein wird, wenn es um die Elimination der Spurenstoffe geht. Die Herausforderung wird also nicht nur in der technologischen Entwicklung, sondern auch in der Wirtschaftlichkeit und Finanzierbarkeit der Technologie liegen, denn der Bedarf wird allem Anschein nach steigen. 

In Abwasser steckt viel Energie 

In der dritten Kategorie „Energie speichern, regeln und vernetzen“ soll das Thema Energie ganzheitlich betrachtet und es sollen Effizienz- und Nutzungspotentiale, auch im lokalen Energieversorgungskontext, gehoben werden. Das Hauptkriterium für die Bewertung der Anträge in dieser Kategorie ist laut Förderkriterien die Anzahl an kWh/EW, die durch Umsetzung der Maßnahmen im Vergleich zum Ist-Zustand eingespart, zusätzlich erzeugt oder effizient genutzt wird. Dabei ist insbesondere die Umsetzung innovativer, ganzheitlicher Konzepte anzustreben bzw. die innovative Kombination existierender Techniken.

Der neue Förderschwerpunkt im Umweltinnovationsprogramm richtet sich an die Betreiber kommunaler und industrieller Abwasserbehandlungsanlagen aller Größenklassen. Fachlich wird er vom Umweltbundesamt betreut, die KfW Bankengruppe übernimmt die administrative und finanzielle Abwicklung. Förderanträge können bis zum 15. April 2019 gestellt werden. Informationen zum Bewerbungsverfahren und zur Antragstellung stehen ab heute im Internet hier bereit.

Foto: CanStockPhoto (Lizenz)

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