Sollte die bayerische Landesregierung Wasserpreisumstellungen unterstützen?

War das schon bayerischer Wahlkampf? Auf das Thema „Ungleiche Wasserentgelte“ war die Bayern-SPD im Jahr 2017 nach Veröffentlichung der amtlichen Statistik gestossen. Daraufhin befragte sie die Landesregierung nach Gründen der darin erkennbaren Wasserpreis-Unterschiede im Land. Die Antwort der Regierung war erwartungsgemäß knapp,. Wasserpreise seien auf Grund unterschiedlichster lokaler Gegebenheiten immer abweichend. Daher erklärte die Landesregierung, sie könne und wolle nicht in die Preisgestaltung bei Wasser eingreifen. Das ist plausibel, aber unterstützen könnte sie. Es drängt sich nämlich eine andere Frage auf: Welche Rolle spielen die Grundpreisanteile bei der Entwicklung der Wasserpreise in Bayern?

Niedrige Grundpreise scheinen in Bayern die Regel zu sein

Worum geht es? Die festen Einnahmen aus den Grundpreisen sind für viele Wasserversorger mittlerweile zu einem entscheidenden Preisbestandteil geworden. Egal, wie sich die Nachfrage entwickelt, der Grundpreis sorgt für eine sichere Kostendeckung und trägt zur Preisstabilisierung bei. Und dies wird auch in Bayern angesichts des Wachstums der Wasserinfrastruktur immer wichtiger. Die Statistik zeigt, dass viele Versorger Grundpreisanteile haben, die auf Dauer die Kostendeckung bedrohen oder für Preissteigerungen sorgen werden. Vielleicht hat aber auch der eine oder andere schon sparen müssen, die Auswirkungen könnte die anstehende bayerische Wasserverlust-Statistik belegen, deren Daten gegenwärtig erhoben werden.

Unter 20 Prozent kann auf Dauer kritisch werden

19 Prozent beträgt der (auf Landkreisebene ungewichtete) durchschnittliche Anteil des jährlich festen Entgelts, das entweder an der Zählergröße oder an der Gebäudegröße bemessen wird. Insbesondere in Franken fallen geringe Grundpreise auf. Vermutlich ist es nur ein Zufall, dass gerade dort die Durchschnittspreise vergleichsweise hoch sind. Wer als Versorger mit einem Grundpreisanteil von weniger als 10 Prozent bei Nachfrageveränderungen, steigenden Investitionen in die Netze oder demografischen Schwankungen seine Wasserpreise in Folge von Kostendeckungslücken anpassen muss, hat die Preisbremse noch nicht erkannt. Das wird nicht nur Schrumpfungskommunen treffen, sondern auch solche die kontinuierlich wachsen. Denn selbst wenn temporär in heißen Sommern viel Wasser abgenommen wird, vielerorts sparen die Hausbesitzer oder bauen Regenwasserzisternen.

Beispiel in Hof belegt die Vorteile

Es gibt auch gute Beispiele in Bayern: zwei von 96 kreisfreien Städten und Landkreisen haben ihren Grundpreis auf mindestens 30 Prozent angehoben. Jean Petra, Geschäftsführer der HEW HofEnergie+Wasser GmbH, berichtete jüngst auf einer Fachtagung in Hof, dass in der oberfränkischen Kreisstadt mit einer schrittweisen Anpassung der Grundpreise auf 45 % erfolgreich dem Rückgang der Wassernachfrage um ca. 28 % in 25 Jahren begegnet werden konnte. Wie Hof ist die Mehrzahl der nordbayerischen Kommunen von schwindenden Bevölkerungszahlen bedroht. Der Nachfragerückgang ist da nur eine Frage der Zeit. Da wird es nicht überraschen, dass die Umsatzerlöse einbrechen, wenn die Bevölkerung schwindet oder andere Gründe für Nachfragerückgang wirken.

Modellstruktur Systemgebühren für Trink- und Abwasser
Systempreise und -gebühren für Trink- und Abwasser (c) Gendries

Kostendeckend müssen die Entgelte sein, das fordern EU-Recht und Kommunalabgaben-Gesetze. Das kann auf Dauer nur mit mindestens 40- bis 50%-igen Grundpreisanteilen gelingen. Versorger, die ihre Grundpreisanteile gering halten und schließlich Kostendeckungsbeiträge insbesondere bei Nachfrageveränderungen fehlen, dürfen zwar auch auf „lokale Besonderheiten“ als Grund für steigende Preise verweisen, gemeint ist dann aber die „Wasserpreispolitik“.

Die Mehrzahl der bayerischen Reg.-Bezirke liegt beim typischen 150-Kubikmeterverbrauchsfall deutlich unter dem Durchschnittswert
Die Mehrzahl der bayerischen Reg.-Bezirke liegt beim typischen 150-Kubikmeter-Verbrauchsfall deutlich unter dem Durchschnittswert

VBEW verweist auf individuelle Gegebenheiten und Einfluss der Kommunalpolitik

Detlef Fischer, Geschäftsführer des Verbandes der Bayerischen Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (VBEW) erklärt dazu auf Anfrage: „Aus Sicht der reinen kalkulatorischen Lehre ist ein hoher Grundpreisanteil am Gesamtwasserentgelt in jedem Fall gerechtfertigt. Grund- bzw. Systempreise sollten in jedem Fall für die Verbraucher einen relevanten Anteil an den Wasserkosten ausmachen. In der Praxis regt sich jedoch regelmäßig Widerstand in den kommunalen Gremien und bei den Bürgern/innen bei einem übermäßig hohen Grundpreisanteil. Als Gründe werden häufig die finanzielle Überforderung von Kleinverbrauchern (z. B. Gartenhausbesitzern, Single-Haushalte) angeführt. Daher sollte man auch bei diesem Thema mit Augenmaß vorgehen und strukturelle Anpassungen im Entgeltgefüge ggf. mehrstufig über mehrere Jahre durchführen.“

Bayerische Landesregierung könnte Wasserpreisumstellungen unterstützen

Die 80%igen Fixkosten lassen sich auf Dauer nur schwerlich mit 10%igen Grund- oder Systempreisen decken. Als Reaktion müssen die Preise erhöht werden. Wenn schon, dann aber vorsorglich die Grundpreise. Bis diese, bei 10 Prozent beginnend, 40 Prozent erreicht haben werden, dürften aber einige Jahre und Preiserhöhungen nötig sein. Dieses Thema birgt ein Risiko, das kaum den örtlichen Gegebenheiten geschuldet sein dürfte, wohl aber dem wirtschaftlichen oder politischen Handeln der Verantwortlichen. Hier könnten auch die Verbände und die bayerische Landesregierung tätig werden und umstellungswilligen Versorgern Rückendeckung geben. In NRW und in Sachsen-Anhalt ist das auch gelungen. Die NRW-Landesregierung begrüßt derartige Umstellungen, wie sie mit dem „Systempreismodell“ 2012 auf den Weg gebracht worden sind. Auch die Landeskartellbehörde begleitet die Umstellungswilligen. Wasserpreisumstellungen haben sich als preisdämpfende Maßnahme nicht nur bei Mengenrückgängen bewährt.

Hierzu erklärt Fischer vom VBEW: „Eine staatliche Regulierung in dieser Frage halten wir für nicht sinnvoll. Die Unternehmen sollten ihre „Gestaltungsspielräume“ behalten dürfen, um die örtlichen Verhältnisse bestmöglich berücksichtigen zu können. Beispielsweise gibt es in Bayern Regionen die einem starken Bevölkerungszuwachs erfahren und hier das Argument für hohe Grund- bzw. Systempreise, dass die Fixkosten auf immer weniger abgegebene Wassermenge umzulegen sind, gar nicht greift„.

Stimmt, Wasserpreise müssen individuell sein, das bedeutet aber auch, dass Wasserversorgern „individuell hohe Grundpreise“ erlaubt sein müssten, um auf die zunehmenden ökonomischen Herausforderungen durch Netzalterungen und Aufbereitungserfordernisse reagieren zu können. Viele Versorger müssen bei Investitionen mit Erhöhungen der Mengenpreise und -Gebühren reagieren. Damit wäre auch die Verursachungsgerechtigkeit gefährdet. Diese Preispolitik dürfte auf Dauer das Kostendeckungsproblem verschärfen oder zu Lasten der Leistungsfähigkeit gehen. Genau das kann durch vorausschauende Wasserpreispolitik vermieden werden.

Grafik: Siegfried Gendries (Q.: Bayerisches Landesamt für Statistik)

Weiterführendes und Quellen

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