Gewässerschutz versagt. Multiresistente Keime in Bächen, aber GroKo will Verbraucher zahlen lassen.

Die GroKo-Verhandler scheinen den Gewässerschutz auf die Gebührenzahler abwälzen zu wollen, da präsentiert der NDR einen Bericht über die Gewässerbelastung mit multiresistenten Keimen. Politik und Ministerien reagierten erwartungsgemäß hilflos und ausweichend. Eine entscheidende Rolle bei dem Eintrag von MRSA in die aquatische Umwelt hat die Geflügelwirtschaft.

Auslöser war der zunächst unerklärliche Tod eines Passanten, der im Frühjahr 2017 in einen Bach im Raum Frankfurt gestürzt und anschließend im Krankenhaus gestorben war. Er hatte sich zuvor in dem Bach, dem Abflusswasser aus der Kläranlage zufloss, mit multiresistenten Keimen infiziert. Daraufhin hat der NDR eine Recherche in Niedersachsen aufgenommen und in zwölf Gewässern Proben genommen, die durch Wissenschaftler der Technischen Universität Dresden und des Universitätsklinikums Gießen auf multiresistente Erreger untersucht worden waren – also auf Keime, gegen die viele Antibiotika nicht mehr wirken. Und überall wurden sie fündig, berichtete der NDR in der Sendung des Nachrichtenmagazins PANORAMA am 6.2.2018.

Die Hintergründe der PANORAMA-Recherchen sind besorgniserregend. Die Herkunftsquellen zahlreicher MRSA-belasteter Abwässer waren nämlich Kliniken, Altenheime und Geflügelzuchtbetriebe. Hier wurde in einigen Geflügelzucht-Hotspots in Niedersachsen ausgemacht, aus deren Einzugsbereich die multiresistenten Keime stammen.

Politik und Ministerien weichen aus – Umweltbundesamt fordert 4. Reinigungsstufe 

Die Präsidentin des Umweltbundesamtes, Maria Krautzberger, wurde mit den Ergebnissen konfrontiert und nach dem Handlungsbedarf befragt. Sie wiederholte im Interview mit dem Sender die Forderung nach besseren Kontrollen der Gewässer sowie eine Nachrüstung der Kläranlagen mit der 4. Reinigungsstufe. Dabei beschränkte sich Krautzberger auf „große Kläranlagen“ und beschränkte die Wirkung  auf „fast alle Stoffe“. Die Aufrüstung aller Kläranlagen mit einer vierten Reinigungsstufe würde Mehrkosten von über 37 Milliarden Euro verursachen, hat der BDEW berechnet. Daraus berechnete das Umweltbundesamt Kostenbelastungen für die Bundesbürger in Höhe von 16 Euro jährlich. Die Frage stellt sich aber, ob überhaupt an den richtigen Punkten angesetzt werden kann. Die im ländlichen Raum angesiedelten Geflügelzuchtbetriebe werden ebenso wie in Erholungsregionen liegende Kliniken und Altenheime über kleine Kläranlagen entsorgt. Hier wird die Regel der „4. Reinigungsstufe für große Kläranlagen“ womöglich gar nicht helfen.

Auch das Bundesumweltministerium sieht hier Handlungsbedarf. Insbesondere dort, wo das gereinigte Abwasser in sensible Gewässer wie Badeseen oder Trinkwasserressourcen eingeleitet werde, sei eine weitergehende Abwasserreinigung erforderlich teilte das Ministerium auf Anfrage des NDR mit. Die Untersuchung und Bewertung der Gewässerqualität sei allerdings grundsätzlich Aufgabe der Bundesländer. Eine Untersuchung auf multiresistente Erreger sei bislang noch nicht Gegenstand üblicher Messmethoden, sagte Bundesumweltministerin Barbara Hendricks im Interview mit dem NDR. „Wir würden es aber begrüßen, wenn das in Zukunft in die Badegewässerverordnung aufgenommen würde“, so Hendricks.

Das zuständige Gesundheitsministerium in Niedersachsen sah zunächst auf Anfrage des NDR derzeit keinen Handlungsbedarf. Das ist insoweit überraschend, als der im Herbst 2017 zwischen CDU und SPD Niedersachsens geschlossenes Koalitionsvertrag hier offenkundig Handlungsbedarf sieht. Dort steht nämlich: „Mehr als drei Viertel der Fließgewässer sind belastet. Fast jedes dritte Gewässer weist Arzneimittelrückstände auf und ist gefährdet durch Pflanzenschutzmittel, Mikroschadstoffe, Mikroplastik und Nitrat. Das Grundwasser wollen wir vor Verunreinigungen schützen und die Trinkwasserversorgung sicherstellen.“ Wenn es hier an Deutlichkeit fehlt, habe ich die Formulierung womöglich nicht verstanden.

Q: NDR, PANORAMA, 6.2.2018
Q: NDR, PANORAMA, 6.2.2018

 

Die GroKo wird die Kosten auf die Verbraucher abwälzen

Nach dem aktuellen Verhandlungspapier der GroKo scheint das Problem des Gewässerschutzes aber allein Sache der Verbraucher zu sein, denn sie sollen für den Gewässerschutz bezahlen. Das bevorzugte Instrument ist die Abwasserabgabe. So heisst es in dem Papier: „Im Dialog mit der Landwirtschaft werden wir auf eine gewässerschonende Bewirtschaftung hinwirken. Die Abwasserabgabenregelung wollen wir mir dem Ziel der Reduzierung von Gewässerverunreinigungen weiterentwickeln. Wir werden mit einer Öffentlichkeitskampagne auf die Gefahren einer falschen Entsorgung von Arzneimitteln über das Abwasser hinweisen, auf eine sachgerechte Handhabung abzielen und damit insbesondere den Schutz unserer Wasserressourcen vor Chemikalieneinträge verbessern.“

Wasserwirtschaft bezieht Position zugunsten der Verbraucher und fordert das Verursacherprinzip 

„Der jetzige Vorschlag wälzt die Kosten für eine vierte Reinigungsstufe auf die Verbraucherinnen und Verbraucher ab, obwohl sie nicht die Verursacher der Gewässerverunreinigungen sind. Auch eine vierte Reinigungsstufe kann zudem nicht alle Stoffe beseitigen“, kritisierte Martin Weyand, BDEW-Hauptgeschäftsführer Wasser/Abwasser in Berlin die Pläne der GroKo. Der BDEW fordert deshalb – gemeinsam mit dem VKU – einen ergebnisoffenen Dialog darüber, wie in Deutschland eine gewässerschonende Bewirtschaftung ermöglicht werden kann. Dabei sollte auch das Verursacherprinzip eine Leitlinie sein. Hierzu bietet das vom Bundesumweltministerium durchgeführte Dialogforum zu Spurenstoffen grundsätzlich eine gute Basis.

Wir müssen die Warnzeichen aus der Gewässerwelt erst nehmen

Man wird sich fragen müssen, warum die Politik die Warnzeichen aus der Gewässerwelt nicht ernst nimmt und sich von den Recherche-Teams der – dankenswerterweise aktiven – Medien vorführen lässt. Immer mehr Stoffe lassen sich mit laufend verbesserten Analysemethoden in den deutschen Gewässern finden. Wir haben es gerade geschafft, in vielen Seen wieder Badequalität zu erreichen, in früheren „Industriekloaken“ wie der Ruhr sind jetzt wieder Fische zu finden, die auf gute Gewässerqualität schliessen lassen, der Eisvogel ist in Mülheim an der Ruhr heimisch geworden. Wir haben den Kampf gegen die Industrieabwässer gewonnen. Ausschlaggebend hierfür war eine konsequente Anwendung des Verursacherprinzips. Jetzt stehen wir vermutlich vor einer weit größeren Herausforderung. Die Eintragspfade sind diffuser, die Stoffkonzentrationen viel geringer, aber dennoch kann es nicht angehen, dass sich damit die Verursacher aus der ökonomischen Verantwortung entziehen. Die Politik muss konsequent dort ansetzen, wo der volkswirtschaftliche Schaden gering und die Effizienz der Maßnahmen hoch ist. Der Verbraucher sollte erkennen, dass er am Ende der Leidtragende sein wird: MRSA kann uns alle treffen und wir müssen alle die Zeche bezahlen. Aber der Verbraucher ist nicht hilflos. Wir entscheiden, welche Lebensmittel wir kaufen und wie wir die Arzneimittel entsorgen und: wir dürfen auch wählen ….

2 Kommentare

  1. Hallo Herr Gendries,
    vielen Dank für den Bericht. Nur eine kleine Korrektur: Es handelt sich bei den nachgewiesenen Bakterien um multiresistente gramnegative Bakterien (z.B. E. coli, Acinetobacter usw.), also MRGN, nicht MRSA (Staph. aureus). Ändert nichts an der Tatsache, dass Antibiotikaresistenzen weit verbreitet sind. Ob allerdings die Einführung einer weiteren Reinigungsstufe sinnvoll ist – im Fall von Mikroorganismen wäre das eine Desinfektion oder Filtration. Das Problem liegt bereits im zu sorglosen Umgang mit Antibiotika – auch von Seiten der Verbraucher.
    Viele Grüße
    Regine

  2. Lieber Siegfried
    Danke für deinen Beitrag. Man soll endlich das Verursacherprinzip anwenden. Das steht bei uns in der Schweiz im Gewässerschutzgesetz, aber es wird nicht durchgesetzt. Viele Gewässer und das Grundwasser sind veschmutzt, doch es wird nur wenig dagegen getan und es zahlen die Steuerzahler statt die Verursacher.
    Herzliche Grüsse
    Heidi

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