Flatrate bei Wasserpreisen – Was dagegen spricht, erklären Experten

Nicht 99 Luftballons, sondern 99 Tarifgebiete dürften für Aufmerksamkeit in der Wasserwirtschaft sorgen. Denn die dortigen Wasserversorger haben laut soeben veröffentlichter Analyse des Statistischen Bundesamtes (Destatis) eine Flatrate für Trinkwasser. Damit muss der Kunde unabhängig von der Abnahmemenge nur einen festen Preis für sein Trinkwasser zahlen. Die Haushalte in den betroffenen Tarifgebieten entrichteten 2016 für die Trinkwasserversorgung ausschließlich ein Grundentgelt (Flatrate), das im Durchschnitt 85,42 Euro für das gesamte Jahr betrug. Diesen Betrag mussten sie auch zahlen, wenn sie gar kein Wasser abgenommen haben. (rd. 950 Wörter – Lesezeit rd. 5 Minuten)

Flatrate für Wasser nicht sinnvoll

Wir kennen diese Preisform von unseren Smartphone-Abrechnungen. Während dort die Datenleistung bzw. Geschwindigkeit ab einer bestimmten Datenmenge reduziert wird, bleibt bei der Wasserflatrate der Wasserdruck bestehen. Bevor sich Umwelt- und Ressourcenschützer – zurecht – über dieses Preisgebahren aufregen, es sind laut Destatis bundesweit nur 12.000 Einwohner bayrischer und schleswig-holsteinischer Gemeinden, die ausschließlich einen Grundpreis für ihr Trinkwasser verlangen. Das sind mal gerade 0,015 % der Bundesbürger. Aber nicht nur deshalb eignet sich für mittlere und große Wasserversorger dieser Grundpreisanteil von 100 % nicht zur Deckung der hohen Fixkosten in Höhe von zumeist 80 % und mehr. Ressourcenökologisch sollte berücksichtigt werden, dass wir in Deutschland zwar kein Wasserknappheitsland sind, in einigen Regionen aber schon heute sparsamer mit Wasser umgegangen werden muss, als anderorts, und mindestens der Klimawandel zu einigen Jahreszeiten einen sorgsamen Umgang mit der Ressource erfordern wird.

Aber es gibt auch ökonomische und rechtliche Aspekte. Ich habe ausgewiesene Wasserpreisexperten zum Thema Wasser-Flatrate befragt: Professor Dr. Mark Oelmann lehrt an der Hochschule Ruhr-West Wasserökonomie und berät mit MOcons bei Wasserpreisumstellungen und Dr. Joerg Rehberg ist beim BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft der Rechtsexperte für Wasserthemen.

Fragen an den Wasserjuristen Dr. Jörg Rehberg (BDEW)

„Was spricht aus wasserrechtlicher Sicht gegen eine Flatrate bei Trinkwasserentgelten?“, habe ich Dr. Rehberg gefragt.

Dr. Rehbergs Antwort: „Die Wasserrahmenrichtlinie steht mit ihrem Verschlechterungsverbot vor jeder möglichen Übernutzung von Wasserressourcen, die bei Flatrates zunächst nicht ausgeschlossen wäre. Konkreter ist § 50 WHG (Wasserhaushaltsgestz), der die Träger der öffentlichen Wasserversorgung verpflichtet, auf einen „sorgsamen Umgang mit Wasser“ hinzuwirken. Vor allem spricht aber eine durchgängige Rechtsprechung gegen Flatrates in der Wasserwirtschaft. Die Gerichte schreiben vor, dass die Kunden durch ihr Gebrauchsverhalten auf die Höhe der Gebühr und damit in der Regel auch des Preises Einfluss nehmen können müssen. Dies ist bei einer Flatrate nicht möglich. Somit wären Gebührensatzungen mit einer alleinigen Grundgebühr ohne zusätzlichen Verbrauchsgebühr grundsätzlich unzulässig.“

Dr. Jörg Rehberg (BDEW)

Warum können Flatrates in Kleinstversorgungsgebieten in Schleswig-Holstein oder Bayern kein Vorbild für andere Regionen sein.

Seine Antwort: „Aus der beschriebenen rechtlichen Problematik ergibt sich bereits, dass Flatrates nicht flächendeckend zur Anwendung kommen können. Sie sind aber auch wasserwirtschaftlich bedenklich, weil sie zu wenig kontrollierbaren Situationen und spontanen Vielgebräuchen führen können. Damit könnten Versorgungs- und Entsorgungssysteme an ihre Grenzen stoßen. Es könnte zu Versorgungsengpässen kommen oder zumindest ein Abfall des Wasserdrucks bewirken. Große Abnahmeschwankungen sind für die Infrastruktur beispielsweise wegen Druckschlägen und Kapazitätenplanung grundsätzlich schwierig.“

Fragen an den Wasserökonom Professor Dr Mark Oelmann (Hochschule Ruhr-West/MOcons)

Aus rechtlicher Sicht, so darf man feststellen, steht den Flatrates bei Trinkwasser der gesetzgeberische Wille, der Wasserverschwendung Einhalt zu gebieten grundsätzlich entgegen. Ich habe Professor Dr. Mark Oelmann gefragt. Was sagt die Ökonomie zur Flatrate? 

Prof. Oelmann: „Die Ökonomie ist hinsichtlich der Frage, wie hoch der Anteil der fixen an den gesamten Erlösen sein sollte, eindeutig: Die fixen Kosten sollten durch fixe Erlösbestandteile gedeckt werden. Der Grund: Der Wasserversorger gibt dem Kunden so ein Preissignal, bis zu welchem Punkt auch aus Sicht des Gesamtsystems Investitionen in Wassereffizienzmaßnahmen sinnvoll sind. Es lässt sich folglich festhalten, dass ein solch „normaler“ Wasserversorger durch die fixe Erlöskomponente aus ökonomischem Blickwinkel jenen fixen Kostenblock in Höhe von 80% der Gesamtkosten einnehmen sollte. Einzige Ausnahme wären Wasserdargebotsprobleme. In diesem Fall sollten Wasserkunden über höhere variable Wasserpreisanteile zu stärkerem Wassersparen angeregt werden.

Frage: Ob ein Wasserverbraucher sich von Wasserpreisen überhaupt beeinflussen lässt, ist hierbei nicht unbedeutend. Deshalb die Frage „Ist der Wasserkunde ein homo oeconomicus, handelt er überhaupt nach Wasserpreisen?

Prof. Oelmann: „Fangen wir andersherum an: Wessen Verhalten lässt sich nicht beeinflussen? Unseren Untersuchungen zu Folge reagiert ein Haushalt in einem 10-Familien-Wohngebäude, dessen Wasser- und Abwasserrechnung über die m²-Größe der Wohnung umgelegt wird mit seinem individuellen Wassersparen gar nicht auf steigende variable Preise oder Gebühren. Anders sieht dies bei etwa neuen Einfamilienhäusern aus. Versuchen Sie heute etwa derart wasserineffiziente Gebäude zu bekommen, wie diese vor 30 Jahren wie üblich gebaut wurden…. Auch bei den gewerblichen und industriellen Kunden sehen wir aus den Zeitreihen, wie konjunkturbereinigt die Kunden ihre Bleistifte spitzen und in wassereffizientere Technologien investieren, wenn die variablen Wasserpreise steigen. Dies würde ich auch machen, würde ich mit zum Teil rein variablen Mengentarifen über extrem verquere Anreize zum Wassersparen getrieben. Es ist nicht die Schuld des Wasserkunden, dass er sich auf Kosten aller anderen optimiert und sich die konstant bleibenden Fixkosten nun auf weniger Menge verteilen und folglich die m²-Preise steigen (müssen). Der 1-, 2- Familienhausbewohner sowie gewerbliche und industrielle Kunde reagieren ökonomisch rational auf die Anreize zum Wassersparen, die wir als Wasserver- und implizit insbesondere Abwasserentsorger ihm über nicht durchdachte Wasser- und Abwassertarifmodelle setzen. Auch kreieren wir ein soziales Problem – die absolute Wassernachfrage der Mehrfamilienhausbewohner bleibt konstant, die der kleinen Wohngebäude sowie von Gewerbe/Industrie sinken. Im Ergebnis steigt der relative Anteil der Menge der Mehrfamilienhausbewohner. Dies impliziert, dass diese fortan auch relativ höhere Anteile der Fixkosten zu tragen. Im Kern aber wie betont ein „hausgemachtes Problem“. “

Professor Dr. Mark Oelmann (HRW/ MOcons)

Letztlich auch die Frage: Wäre die Flatrate auf deutsche Wasserwirtschaft übertragbar oder kann das allenfalls in Kleinstgemeinden mit Kleinstverbrauchern ökonomisch sinnvoll sein?

Oelmann warnt in seiner Antwort. „Sie wäre nur für sehr besondere Regionen übertragbar. Die variablen Kostenanteile müssten – etwa weil keinerlei Aufbereitungs- und Energiekosten anfallen – nahe Null sein. Gleichzeitig darf Wasser in der spezifischen Region in keiner Weise knapp sein. Summa summarum mag es solche Regionen in Deutschland durchaus geben, auch wenn aus diesen vereinzelten Fällen sicher nicht geschlossen werden kann, dass die Flatfee nun für Wasser und Abwasser die allgemeine Wahl darstellen sollte.“

Ausblick

Ob das Thema Wasser-Flatrate damit „ad acta“ gelegt werden darf, wird sich zeigen. Der eine oder andere Wasserversorger liebäugelt schon seit längerem mit diesem Grad der Kostendeckung. Ich werde in Kürze aufzeigen, in welchen Tarifgebieten diese Wasser-Entgelte Anwendung findet und was Kartellbehörden dazu sagen.

Hier geht es zu DESTATIS Pressemitteilung

Die DESTATIS Wasserpreis-Statistik (Abruf 18.12.2017)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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