Kostenloses Leitungswasser: Warum gute Ideen aus England kommen

Die Crowd-Water Kampagne Refill schreibt gerade eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Nach ihrem Start im englischen Bristol im Jahre 2015 zieht die Idee vom kostenlosen Trinkwasser für durstige Passanten durch Europa. Englands Tap Water ist ehedem schon ein Vorreiter. In Deutschland hat den Erfolg der Refill-Kampagne wohl kaum jemand für möglich gehalten. In 64 Städten werden Refill-Stationen bereits zum Nachfüllen der Flaschen angeboten; mit über 100 Stationen ist Berlin auch hier die Hauptstadt. Eigentlich müsste die Kampagne „FReeFill“ heissen, denn das Wasser wird kostenlos angeboten. Ein blauer Sticker an der Tür (siehe Abbildung) zeigt den Durstigen die Refill-Station, wo sie ihre Flaschen am Wasserhahn mit frischem Leitungswasser nachfüllen können.

„Leitungswasser trinken in der Gastronomie“ erhitzt jeden Sommer die Gemüter. Gäste verstehen nicht, warum Gastwirte den Wunsch ablehnen oder sich eine Selbstverständlichkeit bezahlen lassen wollen. „Ein solcher Service verursache auch Kosten, die Kellner müssten für ihre Dienstleistung schließlich bezahlt werden“, kommt als Begründung zurück. Umfragen des Forum Trinkwasser zufolge wären immerhin 39 Prozent der Restaurantbesucher bereit, für Leitungswasser bis zu einen Euro pro Liter zu bezahlen. Doch die meisten Gastronomiebetriebe haben Sorge, dass die Gäste nur noch das kostenlose oder günstige Leitungswasser trinken würden und die Einnahmen einbrechen. Verwunderlich, denn in anderen Ländern leben die Betriebe doch auch noch. „Dort sieht es nicht danach aus, als wären die Restaurantbesucher dort kollektiv von Wein auf Wasser umgestiegen. Es bestellt sich ja auch nicht jeder Gast Pommes, nur weil sie das billigste Gericht auf der Karte sind“, schreibt die Süddeutsche Zeitung in einem lesenswerten Beitrag.

England ist Vorreiter

Die Leute bestellen bei Englands Gastwirten schlicht „Tap Water“; es kommt dann auch Leitungswasser im Glas. Keine Diskussion, kein Murren – kostenlos. Freiwillig? Nein, es gibt ein Gesetz, wonach Tap Water serviert werden muss. “Es ist nicht Menschenliebe und auch nicht überall gibt es Wasser. Der Gesetzgeber wollte damit in jeder Kneipe auch eine kostenlose alkoholfreie Alternative im Angebot sehen. Es sollte nicht nur Alkoholisches ausgeschenkt werden.  Ein Lizenzierungsgesetz für Kneipen und Restaurants, die Alkohol ausschenken, lässt den Gastronomen keine Wahl. Wer sich weigert, riskiert eine Strafe von bis zu 20.000 Pfund. Ich habe auf meinen England-Reisen viele Gastwirte gefragt. „Es kommt sehr oft vor, dass Tap Water bestellt wird. Wenn jemand Flaschenwasser haben will, bekommt er es natürlich. Zumeist zum Dinner,“ erklärt der Wirt im „The Ship“ in der  Kennington Road in London.

„Selbstbedienung bei Leitungswasser“
Selbstbedienung im „Hamalabiya“ in der Altstadt Jaffa (Foto: Gendries)
Selbstbedienung im „Hamalabiya“ in der Altstadt Jaffa (Foto: Gendries)
Lass es den Gast doch selber machen. „Selbst ist der Gast“ lerne ich auf meiner Wasser-Reise in Israel einem Straßenpub in Tel Aviv. Im „Hamalabiya“, einem trendigen Treff in der Altstadt Jaffa fließt an der Theke nicht nur Bier. Dort steht auch ein Wasserhahn Becher. Durstige können dort zum Plastikbecher greifen oder besser noch ihre Flasche füllen. Der Bierhahn ist natürlich tabu. Refill in Israel. Als Dankeschön gibt’s ein Trinkgeld. Ehedem geht man im „Heiligen Land“ entspannter mit dem Wasser um. Kaum ein Gastwirt, der seinen Gästen nicht noch zusätzlich ein Glas oder eine Karaffe Leitungswasser anbietet. Kostenlos versteht sich.

In Köln-Nippes war ich im „Café Wohnraum“ auf dieselbe kundenfreundliche Lösung gestoßen. Auf der Theke steht eine große Flasche mit Leitungswasser und einige Gläser. Die Durstigen bedienen sich dort selbst. Im Berliner „Peter Pane“, einem trubeligen Restaurant in der Friedrichstraße, erklärt der Kellner, dass es Leitungswasser selbstverständlich kostenlos gäbe. Aber fragen würde danach in erster Linie US-Amerikaner und andere Ausländer. Auch die Südwestfalen können „Leitungswasser in der Gastronomie“: im Soester Lamäng  wird für Wasser aus dem Hahn nichts berechnet, egal wie viel abgenommen wird. Da wird auch schon mal freiwillig bezahlt, wie von einer Gruppe, die sich eine Karaffe geteilt hat. Im Café Ovest Central im Oberhausens Centro Einkaufszentrum stellte ich fest, dass man das Leitungswasser zu schätzen weiß: aufgesprudelt kostet der Viertelliter aus dem Hahn 2,50 €. Das ist sicher nicht im Sinne des Erfinders. Dann doch besser gleich zum Flaschenwasser greifen: für denselben Preis gab es den halben Liter. Sicher gibt es noch viele gute und weniger gute Beispiele für Leitungswasser in der Gastronomie in Deutschland. Noch sind die Guten die Ausnahme, aber es werden laufend mehr.

EU-Kommission will kostenloses Leitungswasser in der Gastronomie und Plastikmüll vermeiden

Dafür, dass das Leitungswasserangebot in der Gastronomie zunimmt, sorgt womöglich auch die EU. Die EU-Kommission hat Anfang Februar 2018 eine neue Trinkwasser-Richtlinie vorgestellt. Ein Teil des Plans: Restaurants sollen zur Bestellung kostenlos Leitungswasser anbieten. Eine Maßnahme, die viel Müll vermeiden könnte.

Mit einer neuen Trinkwasser-Richtlinie fordert die EU Restaurants und Kantinen dazu auf, gratis Leitungswasser anzubieten. Das Wasser sei so gut, dass es anstelle des Flaschenwassers angeboten werden könne. Der Kommission zufolge könnten EU-weit mehr als 600 Millionen Euro eingespart werden, wenn mehr Menschen Wasser aus der Leitung trinken würden.

Auch im Kampf gegen Plastikmüll könnte die Maßnahme helfen. Laut eines Berichts des Marktforschungsinstituts Euromonitor International, kauft die Menschheit jede Minute eine Million Plastikflaschen. Wer in Restaurants und vor allem Kantinen Leitungswasser kostenlos bekommt, bestellt sich keines in Plastikflaschen mehr dazu. Damit mehr Leitungswasser getrunken wird, muss allerdings auch das Vertrauen in die Qualität von Leitungswasser steigen, meint die EU-Kommission. Deshalb will die Kommission noch eine Qualitätsoffensive starten, damit die Verbraucher ihrem Wasser mehr Vertrauen schenken können.

„Schätzungen gehen davon aus, dass bessere Wasserqualität den Konsum von abgefülltem Wasser um 17 Prozent senken kann. Das reduziert die Menge von Plastikflaschen, die wir austrinken und anschließend wegwerfen. Ich denke, das ist ein guter Vorschlag für unsere Umwelt, für die Gesundheit unserer Bürger und für ihr Portemonnaie“, sagt Kommissionsvizepräsident Frans Timmermanns