Immer mehr Opfer und Konflikte durch verunreinigte Flüsse. Kann die Industrie helfen?

Rotes Flusswasser in Russland. Das hat zwar keinen politischen Hintergrund, wohl aber einen umweltpolitischen. Das Problem ist nicht auf Russland beschränkt. Eine Woche bevor im russischen Fluss Daldykan das Wasser durch einen Störfall in einem Stahlwerk rot wurde, veröffentlichte die UNEP, die Umweltorganisation der UN, einen Bericht mit dem Titel „A Snapshot of the World’s Water Quality“, demzufolge weltweit 323 Millionen Menschen von lebensbedrohlichen Verunreinigungen von Flüssen und Seen bedroht sind. Der Bericht ist zugleich ein Leitfaden für die Entwicklung und Steuerung von Maßnahmen gegen die globale Wasservergiftung.

Cholera, Typhus und andere Krankheitserreger – neben kriegerischen Auseinandersetzungen sind sie die größte Bedrohung in bildschirmfoto-2016-09-26-um-17-43-16Afrika, Asien und Lateinamerika. Schon jeder zweite Fluss liefert in diesen bevölkerungsstarken Regionen nicht Wasser, sondern flüssiges Gift. Durch die Übernutzung der Ressourcen steigt mit der Versalzung nicht nur die Umgenießbarkeit zum Trinken, sondern auch deren Unbrauchbarkeit für die landwirtschaftliche Bewässerung. Die Versalzung macht die Böden unbrauchbar.

Jeder zweite Fluss in Asien transportiert Krankheitserreger, die einem Cocktail aus unbehandelten Abwässern, überschüssigen Pestiziden und industriellen Verunreinigungen stammen. Die Flüsse zahlen den Preis für das ungebremste industrielle und agrarische Wachstum.

Auch internationale Konflikte drohen

Satellitenbilder der NASA aus der Region Krasnoyarsk, machten die rote Giftfracht des Daldykan sichtbar. Sie stammt allem Anschein nach aus dem Stahlwerk Nadezhda und der dazugehörigen Deponie. Noch vor einigen Monaten transportierte der brasilianische Rio Doce eine rotbraune Schlammlawine aus einer Eisenerzmine ins Meer und forderte 13 Todesopfer. Über 600 Menschen mussten evakuiert werden. Zehntausende Menschen hatten tagelang keinen Zugang zu Frischwasser. Zwei Beispiele für das vernichtende Werk von Industrieunternehmen und fehlender Umweltpolitik.

Noch größer wird das Problem, wenn die Flüsse mit ihrer Giftfracht die Landesgrenzen überschreiten. Dann bekommen Umweltsünden eine außenpolitische Dimension. Auch wenn die Weltöffentlichkeit beim „Krieg um das Wasser“ fast immer an die Wassermengen denkt, das Szenario „Krieg um sauberes Wasser“ ist nicht minder bedrohlich. Wer einen grenzüberschreitenden Fluss als Trinkwasserressource nutzt, wird es nicht dulden, wenn das Wasser ungeniessbar wird. Die Risiken für diese Konflikte steigen. Dies hängt auch mit dem industriellen Wachstum vieler Länder in den bedrohten Regionen zusammen. Die UN-Umweltorganisation UNEP prognostiziert einen Anstieg des Wasserbedarfs der produzierenden Industrie um 400 % bis zum Jahre 2050. Der Zugang zu ausreichenden und brauchbaren Wasserressourcen kann ausschlaggebend für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in einem Land sein. Konflikte zwischen zwei Nachbarstaaten sind nicht abwegig, wenn der eine dem anderen das saubere Wasser abgräbt.channel-1692671__180

Sicher lässt sich das mannigfaltig auftretende Problem mit bereits vorhandener Technologie lösen. Dies scheint aber nicht das wahre Problem zu sein – Technologien sind global verfügbar. Offenbar fehlt der politische Druck. In vielen Ländern gibt es keine umweltpolitischen Instrumente und Überwachungsmethoden, um die Frevel zu verhindern oder frühzeitig eingreifen zu können und die Verursacher zu bestrafen. In vielen Regionen muss daher zunächst die Frage beantwortet werden, welche Motivation ein „Wasserverschmutzter“ haben soll, sein Verhalten zugunsten der weiter unten am Lauf des Flusses liegenden Wassernutzer zu ändern. In Europa haben konsequentes umweltpolitisches Handeln und länderübergreifende Kooperationen der Flußgebietsanrainer für einen guten Zustand der Flüsse gesorgt.

Können die Global Player Umweltstandards bei ihren Vorlieferanten durchsetzen?

Wenn die Politik in den betroffenen Regionen nicht handelt, schafft es die Industrie mit einer Selbstverpflichtung? Es bedarf einer unternehmerischen Einsicht und umweltpolitischer Regulierung, um Flüsse in anderen Weltregionen zu schützen. Vielleicht können dazu auch industrielle Partner beitragen. Viele europäische Unternehmen beziehen ihre Vorprodukte aus wasserkritischen Regionen. Der Automobilhersteller BMW AG hält seine Lieferanten zum nachhaltigen Handeln u.a. beim Wasserverbrauch an. Um Transparenz über die Ressourcenverbräuche im Lieferantennetzwerk zu erhalten, nimmt BMW am CDP Supply-Chain-Programm teil. Damit kann der Automobilhersteller auch das Umweltverhalten seiner Lieferanten steuern. Konsequenterweise sollte dieses Verhalten auch von anderen Industrie- und Handelsunternehmen übernommen werden. An dem Carbon Discoure Project (CDP) beteiligen sich neben BMW auch RWE, Metro, Daimler, HUGO BOSS, Adidas und sieben weitere deutsche Unternehmen. Das Projekt, getragen von der Finanzindustrie, will die Global Player u.a. für Ressourcenrisiken sensibilisieren und einen nachhaltigeren Umgang mit den Wasserressourcen erreichen. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Standorte der Unternehmen, sondern schliesst auch die Vorlieferanten mit ein. Es wäre doch eine Chance, wenn sich weitere deutsche Unternehmen diesem Projekt anschliessen und auf ihre Vorlieferanten Einfluss nehmen würden, damit diese sorgsamer mit der Ressource Wasser umgehen. Sie könnten doppelt profitieren. Zunächst hilft ihnen die Beteiligung, einen strukturierten Blick auf die Wasserrisiken ihrer vorgelagerten Prozesse zu erhalten und die Risiken nicht nur zu kennen, sondern auch Instrumente zur Absicherung zu entwickeln. Noch wichtiger könnte der daraus abgeleitete aktive Beitrag zum Schutz der Ressourcen in den von Wasserknappheit und Wasserverunreinigung bedrohten Regionen sein.

Ein weiterer Baustein bei der Übernahme von Verantwortung für das nachhaltige Management von Wasserressourcen könnte die soeben eingeführte CSR-Richtlinie sein. CSR steht für Corporate Social Responsibility, also für die Verantwortung von Unternehmen für ihre Auswirkungen auf die Gesellschaft. Nach diesem Gesetz müssen bestimmte große, insbesondere am Kapitalmarkt tätige Unternehmen, in ihren Lageberichten künftig verstärkt auch nichtfinanzielle Themen darstellen. Erforderlich werden dabei vor allem Angaben über Arbeitnehmer-, Sozial- und Umweltbelange, die Achtung der Menschenrechte und die Korruptionsbekämpfung. In der Wirtschaft nimmt das Thema Transparenz in Bezug Menschenrechts-, Arbeits-, Sozial- und Umweltbelangen an Bedeutung zu. Mit der Nachhaltigkeitsberichterstattung hätte die Öffentlichkeit auch Einblick in die Lieferketten der Unternehmen. Damit könnten die Unternehmen belegen, dass sie die Nachhaltigkeit bei Wasser auf die Regionen ausdehnen, die im besonderen Maße bedroht sind.

Jedes Jahr sterben 3,4 Millionen Menschen wegen pathogener Keime im Wasser. Nahezu die Hälfte von ihnen sind Kinder unter fünf Jahren. Etwa 1,2 Milliarden Menschen sind von Wasserknappheit bedroht. Wenn die Bevölkerung und die industrielle Produktion weiter wie bisher wachsen, werden die Probleme drängender und die Bedrohungen für die Menschen unvorhersehbarer. Dafür sind Lösungen unabdingbar, es bleibt nicht mehr viel Zeit. Die blutig anmutende Farbe des Daldykan könnte ein böses Omen sein.

Weiterführende Informationen
Hier geht es zur Website des CDP Water
Hier geht es zur UNEP – „A Snapshot of the World’s Water Quality
hier geht es zur Website der NASA

 

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