Wasserkonflikte und Lösungsansätze – Buchtipp: „Wasser – Eine Reise in die Zukunft“

Wasser und seine geopolitische Bedeutung für die Erhaltung des Friedens, so kann der Inhalt des Sachbuches „Wasser – Eine Reise in die Zukunft“ des Norwegers Terje Tvedt, beschrieben werden. Hintergründig und faktenbasiert beschreibt der Politologe, Historiker, Hydrologe und Geologe welchen Stellenwert Wasser für die Entwicklung, die Sicherheit und Zusammenarbeit von Staaten und Regionen hat.

Anschaulich beschreibt Tvedt in seiner wasserpolitischen Bestandsaufnahme wie sich in den Brennpunkten dieser Welt durch Kooperationen drohende Konflikte vermeiden lassen, anderseits aber auch Kriege entstehen sein können, wenn Interessenausgleiche scheitern. Er nimmt den Leser mit auf seine Reise entlang jener Flüsse, die sich mehrere Staaten, Kulturen und Religionen teilen. Am Nil zeichnet er ein neu erstehendes Verständnis des Gleichgewichtes der Staaten entlang der Lebensader von Afrika. Dort wo sich Ägypten zunehmend bedroht sieht, angesichts des Energiebedarfs der Anrainerstaaten am Oberlauf des Nils. Ein Bedarf, der durch gigantische Wasserkraftwerke und Staudämme gedeckt werden soll und damit der Großmacht in Nordafrika im wahrsten Sinne des Wortes das Wasser abgraben würde. Er beschreibt einen Kampf, der auch globale politische Konsequenzen nach sich ziehen kann, denn der längste Fluss der Erde fließt vom Herzen des tropischen Afrika durch die Sahara zum Mittelmeer und durchquert dabei Länder, welche zugleich die Zentren des Islam und des orthodoxen Christentums sind.

Er besucht Tibet, das die „Wasserbank“ Asiens ist und damit die Hälfte der Bevölkerung dieses Planeten mit Wasser versorgt und der Ursprung der zivilisationsstiftenden Flusssysteme des Jangste, Indus, Ganges, Brahmaputra, Mekong und Saluen ist. Tvedt erklärt die Region in der Hochebene des Himalaya-Gebirges als den „Schlüssel für die Zukunft großer Teile Asiens“ und beschreibt, wieso das unwirtliche Tibet unweigerlich zu einem der wichtigsten strategischen Gebiete werden kann. Wenn es darum geht, wer das Wassermanagement Tibets beherrscht, wenn 2050  bereits über 60 Prozent der chinesischen Gletscher geschmolzen und unwiederbringlich verloren sein werden. Er verbindet das Verschwinden der Gletscher mit dem Sterben der Flüsse und den katastrophalen Folgen für die Lebensadern der aufstrebenden Staaten. Das erkläre die Sorge Indiens, denn 37 der großen Flüsse des Landes und 45 % des Wassers des Ganges stammen aus dem Himalaya. Damit wären eine halbe Milliarde Menschen von extremer Wasserknappheit bedroht und ein Drittel der Gebiete mit künstlicher Bewässerung würden in Mitleidenschaft gezogen werden.

Aus dem Zugriff auf die Quellen würden sich, so Tvedt, neue globale Machtverhältnisse ableiten. Er erwartet, dass jene Staaten, die an der Oberläufen von Flüssen liegen und somit das Wasser, zugleich dessen Menge, dessen Qualität und dessen Lauf bestimmen und kontrollieren können, „künftig ein größeres strategische Machtposition erhalten“ werden. Das bedeute eine höhere Verwundbarkeit von Staaten am Unterlauf der Ströme dieser Welt. Und es werde von den militärischen Kräfteverhältnissen abhängen, wie die Verteilung des Wassers vonstatten geht: kooperativ oder kriegerisch.

Tvedt besucht auch Europa. Am Beispiel Südspaniens beschreibt er die Nutzungskonflikte zwischen Tourismus, Agrarwirtschaft, Privathaushalten und Industrie. Obwohl die Region unter Wasserknappheit leide und die Vereinten Nationen erwarten, dass die Wüste Afrikas bis 2050 auf Spanien überspringen wird, würden Tourismus und Gemüseanbau trotzdem ungehemmt vorangetrieben. Dort, wo das Wasser aus den Netzen nicht zur Verfügung steht, werde illegal gebohrt. Bis zu 1,5 Millionen illegale Bohrlöcher soll es schon geben, auch um den Tomatenhunger deutscher Verbraucher zu stillen. In Almeria finde man aber nicht nur riesige Treibhausflächen, sondern auch zahlreiche Golfplätze. Spanien sei, so Tvedt, ein gutes Beispiel dafür, wie Distribution und Verbrauch von Wasser immer stärker zu einem zentralen innenpolitischen Thema werden könne.

Während Konflikte in weiten Teilen unabwendbar erscheinen, könnten in einigen Weltregionen technische Lösungen Abhilfe schaffen. So werde beispielsweise in Ländern wie Bangladesch,  Russland, Indien sowie in den USA und in Spanien über Kanäle und von Menschenhand geschaffene Flussverbunde nachgedacht, die Wasser auch in trockenere Regionen transportieren sollen. Am Beispiel von Tampa Bay in den USA wird beschrieben, dass Anlagen zur Meerwasserentsalzung in Frage kämen, die aus dem unerschöpflich erscheinenden Ozeanen mit nicht unbeträchtlichen Energieeinsatz Süsswasser gewinnen können. Auch könnten die Aquifere in Brasilien und Kanada mit ihren Wassermassen andere Kontinente versorgen. Das wirft aber Fragen auf, die das Buch nicht umgeht, nämlich die der Eigentumsverhältnisse. Wem gehört das Wasser und was ist der gerechte Preis? Auch hierzu finden sich einige Beispiele in dem Buch: vom Flaschenwasser, über Freihandelsabkommen und dem „freien Zugang zum Wasser“.

„Die globalen Veränderungen“, so schliesst Tvedt seinen Reisebericht, „haben die Ungewissheit über die Zukunft des Wassers in den letzten Jahren verstärkt. Der Druck, sich an die veränderten Verhältnisse anzupassen, ist größer denn je. Das Wasser braucht in der Zukunft viel mehr unsere Aufmerksamkeit“.

Mein Fazit: sehr lesenswert, mit wertvollen Denkanstössen nicht nur für Wasserbegeisterte.
Erschienen im Ch. Links Verlag, September 2013

Erhältlich in Buchhandlungen und zum Studentenpreis bei der Bundeszentrale für politische Bildung http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/174688/Wasser sowie bei
 http://www.amazon.de/Wasser-Eine-Reise-die-Zukunft/dp/386153732X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1390764120&sr=8-1&keywords=tvedt+wasser

Weiterführende Quellen:
Streit um Nilwasser (Der Standard)
Focus Magazin (2009)
Wettstreit um Ressourcen

1 Kommentar

  1. Danke, Siegfried, für den ausführlichen Beitrag zur Zukunft des Wassers. Nicht umsonst befasst sich Nestlé seit Jahrzehnten mit dem Wasser. Die Kriege der Nachkriegsjahre waren alle Ressourcenkriege.
    In den letzten Jahren nahm das Angebot an Gemüsen und Früchten aus Spanien in den Schweizer Läden laufend zu. Auch viele Bioprodukte kommen aus Spanien. Darin steckt zum Teil illegal abgezogenes Wasser aus Coto de Doñana, dem riesigen Sumpfgebiet und Unesco-Weltnaturerbe, einem Winterquartier für viele Zugvögel. Die Winter-Erdbeeren stammen teilweise aus dieser Region. Weil sich die KonsumentInnen an das nicht saisonale Angebot in Restaurants und Läden gewöhnt haben, regt sich die grosse Menge auch nicht über Produkte aus Trockengebieten auf, etwa Blumen.
    Die Schweizer Gletscher sind vom Schwund ebenfalls stark betroffen. Dieser Winter z.B. war bisher rekordverdächtig warm. Als Wasserschloss Europas, wie die Schweiz immer wieder bezeichnet wird, werden wir uns intensiv mit diesem Problem befassen müssen. Bereits hört man da und dort Klagen über mangelndes Wasser für das Vieh auf Alpen.
    Grüsse aus der Schweiz
    Heidi

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