Urteil zu Altanschließer-Beiträgen: Sachsen-Anhalt und Brandenburg gehen unterschiedliche Wege

Das Bundesverwaltungsgericht hat im Dezember ein folgenschweres Urteil zu so genannten Altanschließerbeiträgen gefällt und Forderungen gegen zwei Cottbuser Grundstücksbesitzer, die für Anschlüsse aus DDR-Zeiten zur Kasse gebeten wurden, gekippt. Die Regierungen der betroffenen Bundesländer Brandenburg und Sachsen-Anhalt haben darauf jetzt reagiert. Sehr unterschiedlich, wie der nachfolgende Beitrag zeigt.

Sachsen-Anhalt stoppt die Eintreibung vorläufig per ministeriellen Erlaß

Das Magdeburger Innenministerium hat die Eintreibung von alten Gebühren für Abwasseranschlüsse vorläufig gestoppt, wie in der Pressemitteilung des Ministeriums vom 25. Januar 2016 erklärt wird. Angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2015 sei auch in Sachsen-Anhalt in absehbarer Zeit mit einer Klärung der strittigen Rechtsfragen zu rechnen, teilte das Innenministerium am Montag mit. Daher sei nun ein Erlass an die Abwasserzweckverbände ergangen, wonach die Eintreibung auszusetzen sei. Staatssekretär Ulf Gundlach (CDU) sagte der dpa, damit wolle man eine Klagewelle vermeiden. Er sei aber zuversichtlich, dass die bisherige Regelung Bestand habe. Schätzungen zufolge sind mehrere 10 000 Hausbesitzer betroffen.

Der Erlass des Innenministerium Sachsen-Anhalt in Wortlaut 

Rechtssicherheit bei der Festsetzung von Anschlussbeiträgen im Zusammenhang mit § 18 Abs. 2 KAG-LSA 

Angesichts der infolge des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 12. November 2015 (Az.: 1 BvR 2961/14, 1 BvR 3051/14), veröffentlicht am 17. Dezember 2015, anhaltenden Diskussionen in der Öffentlichkeit sowie im politischen Raum wird die Rechtslage in Sachsen-Anhalt auch im Hinblick auf die Regelungen zur zeitlichen Obergrenze für die Beitragsfestsetzung (§§ 13b, 18 Abs. 2 KAG-LSA) einer rechtlichen Prüfung unterzogen. 

Bis zu deren Abschluss werden die kommunalen Aufgabenträger gebeten, die Entscheidungen über anhängige Widersprüche und über die sofortige Vollziehung von Beitragsbescheiden zum Ausgleich von Vorteilslagen, die unter die Übergangsregelung nach § 18 Abs. 2 KAG-LSA fallen, auszusetzen. 

Ebenfalls wird gebeten, dass die kommunalen Aufgabenträger auf die grundsätzlich bei der Aussetzung der Vollziehung anfallenden Zinsen möglichst verzichten und die entsprechende Vorgehensweise kommunalaufsichtlich geduldet wird.

 

Seit Jahren wehren sich Bürger gegen Anschlussgebühren, die erst Jahre nach der Installation in den 1990er Jahren eingefordert wurden. Ende vergangenen Jahres lief eine Frist für Abwasserzweckverbände ab, solche Gebühren einzufordern. Spätere Ansprüche sind damit verjährt, erläuterte das Innenministerium. Die Frist führte aber dazu, dass viele Bescheide noch verschickt wurden.

2015-02-07 17.03.19Das Urteil ist laut Gundlach nicht direkt auf Sachsen-Anhalt zu übertragen. Teile der Begründung führten aber dazu, dass bestimmte neu Rechtsfragen geprüft werden müssten. Der Landtag Sachsen-Anhalt will sich am Donnerstag, den 28.1., mit dem Thema befassen.

Zur Ankündigung des Innenministeriums, per Erlass die Abwasserzweckverbände aufzufordern, die Eintreibung der Beiträge für Altanschließer bis auf Weiteres auszusetzen, erklärt Jens Kolze, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt:

„Gleichwohl müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass auch für Sachsen-Anhalt in absehbarer Zeit eine höchstrichterliche Klärung der in vielen Bundesländern aufgeworfenen Fragen zu Altanschließern kommen wird. Daher ist die Ankündigung des Innenministeriums, die Aufgabenträger aufzufordern, die Beitragserhebung bei Abwasseranschlüssen bis auf weiteres auszusetzen, der richtige Weg.“

Ähnlich auch die Haltung der SPD-Fraktion im Landtag. Rüdiger Erben, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Landtagsfraktion von Sachsen-Anhalt, hat die Kehrtwende des Innenministeriums zur Aussetzung der Beitragserhebung für Altanschließer begrüßt.

Brandenburger Regierung sieht keinen gesetzgeberischen Handlungsbedarf und beläßt das Problem (zunächst) bei den Verbänden 

Anders die Entwicklung in Brandenburg, wo das Altanschließer-Thema seinen Ursprung hat. Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) sieht nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu Altenschließern keinen „gesetzgeberischen Handlungsbedarf“. Allerdings wolle die Landesregierung das Gespräch mit den Zweckverbänden und nach Lösungen suchen. Diese müssten tragfähig sein, keine Schnellschüsse. Erneute Fehler müssten vermieden werden. Bekanntlich waren auf Grund der verfassungswidrigen Regelung im Kommunalabgabengesetz des Landes trotz Ablaufs der vierjährigen Verjährungsfrist auch Kanalanschlüsse nach- oder doppelt veranlagt, die erst nach der Wende gelegt worden waren.

Auf Antrag der Fraktion BVB/Freie Wähler und der Grünen im Landtag Brandenburg sollten die Gebühren für alte Abwasseranschlüsse allen Betroffenen zurückgezahlt werden. Am 21. Januar 2016 beriet der  Landtag einen Antrag, der dem Vorgehen des Innenministers in Sachsen-Anhalt entsprach.

Der Landtag möge beschließen:

  1. Der Landtag fordert die Landesregierung auf, per kommunalaufsichtsrechtlichem Einschreiten der oberen Rechtsaufsicht im Land Brandenburg, die sofortige Aussetzung der Vollziehung aller Anschlussbeitragsbescheide anzuordnen.
  2. Eine Widerspruchsbearbeitung ist, bis zur vollständigen Klärung der Rechtslage, auszusetzen.

Der Antrag wurde abgelehnt. Vertreter der rot-roten Koalition schlossen aber nicht aus, dass das Land den Zweckverbänden wegen finanzieller Engpässe unter die Arme greift. Das werde derzeit geprüft, hieß es von den Koalitionären. Einen Anspruch hätten die Verbände allerdings nicht, hieß es vom Innenministerium. Eine Regelung im Kommunalabgabengesetz sieht allerdings für solche Fälle durchaus einen Ausgleich vom Land vor.

Altanschließer, die nicht gegen Kostenbescheide vorgegangen und deren Bescheide rechtskräftig seien, hätten keinen Anspruch auf Erstattung der verfassungswidrig erhobenen Beiträge, die rückwirkend für in den 1990er-Jahren gebauten Klärwerke und Überlandleitungen erhoben worden waren, wie es von Fachleuten aus dem Ministerium hieß. Innenminister Schröter selbst erklärte, die Zweckverbände könnten allerdings schon jetzt handeln – und der Gerechtigkeit halber auch bei rechtskräftigen Bescheiden Altenschließern eingenommene Beiträge zurückzahlen. Oft handelt es sich um vierstellige Beträge. Die Kosten könnten die Verbände über Kredite finanzieren, so Schröter. Das sei wegen niedriger Zinsen günstig. Über die Mengengebühren für Wasser und Abwasser könnten die Kredite wiederum refinanziert werden, so die Logik des Ministers. Bei dieser Form der Refinanzierung zeichnen sich allerdings erhebliche Probleme ab. Denn um das ausstehende Volumen auszugleichen, müssten die Mengengebühren geradezu „explodieren“. Zwar hat das Innenministerium laut Potsdamer Nachrichten noch keinen Überblick, um welche Summen es geht, aber ein Gutachten von 2009 für die Landesregierung schätzt das Gesamtvolumen auf 420 Millionen Euro; Experten gehen sogar von fast einer Milliarde Euro aus. Das könnte lang anhaltende Gebührensteigerungen zur Folge haben. Sinnvoll erscheint es dagegen, die Gelegenheit zu nutzen und die Gebührensysteme für Abwasser auf ein völlig neues Fundament zu stellen. Es wird sich anbieten, eine Grundgebühr einzuführen, statt alle Kosten in die mengenabhängigen Gebühren zu übertragen. Damit können die Beiträge, die ja Fixentgeltcharakter haben, in fixe Gebührenbestandteile umgewandelt werden. Dazu geht es hier weiter

Bei Interesse einfach anfragen: siegfried@gendries.de

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zu „guter“ Letzt:

In Cottbus jedenfalls wird sich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 2017 erstmals auf alle Cottbuser auswirken. Darüber informierte Oberbürgermeister Holger Kelch (CDU) schon zu Beginn des Jahres 2016 seine Bürgerschaft. Immerhin hat die Stadt rund 75 Millionen Euro zu begleichen.

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  1. Jetzt neue Finanzfundamente schaffen und Grundgebühren für Abwasser einführen | LebensraumWasser

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