Warum das Leben eines Joghurtbechers beispielhaft für das Wasserrecycling sein kann

„Ich war 1.000 Joghurtbecher“, mit diesem Hinweis an einer Parkbank aus Recyclingkunststoffen wurde in den 90er Jahren der Übergang vom Abfall zum Wertstoff erklärt. Grundlage war die Kreislaufwirtschaft, die auf Schonung der knappen Ressourcen abzielte. Damit eröffneten sich für die Abfallentsorger neue Geschäftsfelder und frei bestimmbare Verwertungswege. Für die Konsumenten begann das Sammeln von Joghurtbechern. Plötzlich waren Parkbänke aus Altkunststoff statt aus Holz. Da die Verkaufserlöse nicht kostendeckend sein konnten, wurde das Duale System Deutschland aufgebaut und dies musste von Handel, Industrie und Gebührenzahlern finanziert werden. Geht es nach dem Willen der EU-Kommission, dann soll auch Wasser im Rahmen der Kreislaufwirtschaft wiederverwendet werden. Schon heute herrscht in einem Drittel der EU Wasserstress. Der Klimawandel wird diese Situation weiter verschärfen, so dass sich diese Stressregionen bis 2030 auf bis zu 50 Prozent ausdehnen. Es gäbe, so die Feststellungen der EU, in Ländern wie Australien und Singapur bereits sehr gute Erfahrungen mit der Wiederverwendung von Wasser, so dass bis zu 35 Prozent der eingesetzten Ressourcen aus einem Aufbereitungsprozess stammen, wogegen es in Europa nur mal gerade zwei Prozent sind. Um das Ziel, die wiedergenutzten Ressourcen von 964 Millionen KubikBildschirmfoto 2016-01-25 um 22.50.54metern in 2006 auf 6,0 Milliarden Kubikmeter in 2025 zu steigern, bedürfe es geänderter rechtlich-regulatorischer Rahmenbedingungen. So seien es nicht nur psychologische Aspekte, die eine Akzeptanzbarriere darstellen, wenn es um die Wiederverwendung eines aufbereiteten Wassers geht, sondern auch unklare rechtliche Rahmenbedingungen. Zudem sei die Wiederverwendung und das Wasserecycling wirtschaftlich unattraktiv. Da will die EU ansetzen. Hier teilt das Wasser offensichtlich das Schicksal des Joghurtbechers.

Was macht die EU? 

Schon im Sommer 2014 hatte die EU-Kommission mit der „öffentlichen Konsultation zu Politikoptionen für eine optimale Wiederverwendung von Wasser in der EU“ die Bürger und Experten aufgerufen, Anregungen zur Entwicklung der Wiederverwendung zu geben (siehe Beitrag LebensraumWasser). Unter dem Titel „Optimising water reuse in the EU“ wurde am 17. März 2015 eine Studie der Generaldirektion Umwelt zur Gesamtproblematik veröffentlicht. Am 12. Januar 2016 tagte nun in Brüssel die Arbeitsgruppe „Klimaschutz, Biodiversität und nachhaltige Entwicklung“ des Europäischen Parlaments zum Thema „Der Beitrag von Wasser zur Kreislaufwirtschaft“ und diskutierte das Ziel, den Weg und die Methoden. Bis Ende 2016 sollen ein erster Gesetzesvorschlag und Leitlinien für die Einbindung der Wasserwiederverwendung in Wasserplanungsvorgänge und dem Wassermanagement vorliegen. In den Leitlinien will man sich auf nachahmenswerte Beispiele, so genannte „Best Practices“, beziehen und die „Besten verfügbaren Techniken“ einbeziehen. Am Ende soll eine EU-weite „Gemeinsame Umsetzungsstrategie“ entwickelt werden, die sich auf Erfahrungen von Mitgliedstaaten und Drittstaaten stützen. Eine Zielsetzung der Kommission wird es zu dem sein, Finanzierungsmöglichkeiten zu entwickeln und ihre Attraktivität für Anwender bekannt zu machen. Für Frühjahr 2017 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag zur Festlegung von Mindestanforderungen für die Wasserwiederverwendung, die Bewässerung und die Grundwasserneubildung angekündigt.

Wohin könnte die Entwicklung gehen? Einige Gedanken… 

Zwar ist noch nicht absehbar, wohin genau die Entwicklung in Europa gehen wird, aber so viel ist schon absehbar, mindestens die Aufbereitung von Wasser zur direkten Wiederverwendung in der Industrie und in der Agrarwirtschaft dürfte weitere Anreize erhalten. Ob dies auch darin münden wird, dass auch Wasser für den häuslichen Gebrauch zum Beispiel bei der Toilettenspülung oder in der Gartennutzung (sog. Out-Door-Use) aus der Aufarbeitung stammt, wird sich noch erst zeigen müssen. Dass es so unrealistisch nicht zu sein scheint, mag die australische Stadt Sidney beweisen, die sich 2012 zum Ziel gesetzt hat: “Over 50 per cent of the Citys water demand in 2030 could be supplied with recycled water“ und sich bereits zu einem der Vorreiter bei der Entwicklung zählen lassen darf. Auch für Entwicklungen in Europa. Wie in Australien könnte der nächste Schritt auch in Europa sein, Wasser in kleineren Siedlungsgebieten im Kreislauf zu führen. Dann würde Schmutzwasser nicht nur mittels dezentraler Anlagen aufbereitet, sondern die benötigte Energie aus ebenfalls dezentralen Windenergie oder Photovoltaik-Anlagen bezogen werden. Unrealistisch? Keineswegs, die US-Regierung will mit Decentralized Water-Reuse einen Weg beschreiten, um der Ressourcenknappheit und den Infrastrukturdefiziten zu begegnen. In den USA gibt es bereits so genannte Residential Areas, die mit nur mit einer Hauptleitung an das öffentliche Trinkwassernetz angebunden sind und in die dezentrale Aufbereitungsanlagen integriert werden sollen. In den Vereinigten Arabischen Emiraten gehen Dubai und Abu Dhabi ähnliche Wege. Auch in Deutschland sind solche Pilotprojekte bekannt. Das Fraunhofer IGB zeigt mit DEUS 21 ein Wassermanagement mit dezentraler Aufbereitung von Wasser- und Abwasserströmen. Das sind Systemlösungen u.a. für ländliche Regionen, Neubaugebiete, Stadtteile mit Sanierungsbedarf. Das Umweltbundesamt hatte schon 2007 erste Gedanken zu dem Thema Dezentrale Kreisläufe und Regenwassernutzung formuliert (siehe Abbildung).

Darstellung des Zusammenspiels von dezentralem Regenwassermanagement und Grauwasseraufbereitung in einem wassereffizienten Haushalt (UBA, 2007)
Darstellung des Zusammenspiels von dezentralem Regenwassermanagement und Grauwasseraufbereitung in einem wassereffizienten Haushalt (UBA, 2007)

Wenn man sich vorstellt, dass in NRW-Kläranlagen die bevorstehende Einführung der so genannten 4. Reinigungsstufe zu einer höheren Wasserreinheit führen wird, wäre auch dort eine Wasserqualität gegeben, die neue Anwendungsbereiche erschliessen könnte. Nur so Gedanken…

Sicher gibt es noch viele Unklarheiten in Europa, aber in vielen Regionen mit Wasserstress ist die Wiederverwendung von Wasser überlebenswichtig. Sicher sind auch Finanzierungs- und Wirtschaftlichkeitsfragen noch lange nicht geklärt. Erst recht nicht in Deutschland, wo selbst Trinkwasserentgelte und Abwassergebühren noch nicht so hoch sind, dass Einsparungen eine zusätzliche Aufbereitung aufwiegen könnten. Aber die EU hat einen Plan… Vielleicht führt dies am Ende zu einer in Teilen anderen Struktur der Wasserver- und Abwasserentsorgung in Europa – und vielleicht auch in Deutschland. Mindestens sollten wir uns den Überlegungen in Brüssel aktiv anschliessen und nicht alles den lieben Nachbarn überlassen. Denn so unmöglich ist das alles nicht. Und: Schliesslich konnte sich der Joghurtbecher auch niemals vorstellen, in als Parkbank zu enden.

Präsentation der Europäischen Kommission

 

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