NRW Umweltminister Remmel verspricht 70-prozentige Förderung für Kläranlagen

Gewässerschutz und Schutz des Trinkwasser geniessen absolute Priorität. Den Eintrag von Schadstoffen an der Quelle zu verhindern, sollte als gesellschaftliches Ziel verstanden werden. Andernfalls sind teure Kläranlagen-Erweiterungen unabwendbar. Das ist das Fazit eines mit 450 Expertinnen und Experten besetzten Fachkongresses auf Einladung des NRW-Umweltministeriums zum Thema „Arzneimittel – Mikroschadstoffe: Welche Maßnahmen sind zur Erreichung eines guten ökologischen Zustandes deutscher Gewässer notwendig?“ am 11.11.2015 in Düsseldorf.

Im Durchschnitt sind in jedem einzelnen Haushalt bis zu 5.000 unterschiedliche Chemikalien vorhanden. Deren Rückstände werden mit dem Haushaltsabwasser entsorgt. Darunter befinden sich laut europäischer Chemikalienagentur mehr als 400 gesundheitsgefährdende, zum Teil krebserregende Chemikalien in vielen verschiedenen Produkten. Dies führt zu Belastungen der Gewässer mit Mikroschadstoffen durch Wasch- und Reinigungsmittel, Kosmetika, synthetischen Duftstoffen, Süßstoffen, Pestiziden, Farben und Lacken sowie Arzneimittelrückständen. „Um unsere Gewässer aktiv zu schützen, bedarf es eines Multibarrierenschutzes, angefangen bei den Quellen, über die Kläranlagen bis hin zu den Wasserwerken“, erklärte Umweltminister Johannes Remmel. „Mikroschadstoffe, insbesondere Arzneimittel, schaden nachweislich dem Ökosystem Wasser. Unser Ziel muss deshalb sein, den Eintrag schon an der Quelle soweit wie möglich vermeiden. Wo dies nicht möglich ist, müssen wir die Kläranlagen ertüchtigen, so dass sie den neuen Herausforderungen gerecht werden“, betonte Remmel.

Der Eintrag von Mikroschadstoffen, insbesondere von Arzneimittelrückständen, kann zu weitreichenden Schäden im Ökosystem Wasser führen. Jedes Jahr werden zum Beispiel über 40.000 Tonnen Arzneimittel in Deutschland verkauft. Der Mensch scheidet die Wirkstoffe der Arzneimittel großenteils wieder aus. Konventionelle Kläranlagen halten Arzneimittel und andere Mikroschadstoffe bisher aber nur unzureichend zurück. In der Folge findet man Arzneimittel nicht nur in allen Gewässern sondern zum Teil auch im Meer, im Grundwasser und im Trinkwasser. Bestimmte Betablocker, Anti-Epileptika und Empfängnisverhütungsmittel führen zum Beispiel in Flüssen und Seen zu Schädigungen und Veränderungen von Organen, Geschlechtsmerkmalen und Verhalten bei Fischen und anderen Gewässerlebewesen. „Die Gesellschaft wird immer älter und der medizinische Fortschritt schreitet voran, immer mehr Rückstände von Arzneimitteln gelangen über unsere Kanalisation in unsere Gewässer“, erläuterte Remmel.

Die Lösungen scheinen in der erweiterten Kläranlagen zu liegen

Aber auch andere Haushaltchemikalien, wie das in Geschirrspülmitteln eingesetzte Benzotriazol ist zwischenzeitlich in fast allen Gewässern nachzuweisen. Alleine in den Rhein fließen davon jährlich über vierzig Tonnen. Der Minister sieht daher die Modernisierung der Kläranlagentechnologie als eine der wichtigsten Herausforderungen an, zum Großteil sind die derzeit im Einsatz befindlichen Klärmethoden und Klärtechniken über 30 Jahre alt: „Wir müssen unsere Kläranlagen an die neuen Erkenntnisse und damit Herausforderungen anpassen. Für entsprechende Maßnahmen stellen wir einen Zuschuss für die Investitionskosten von 70 Prozent zur Verfügung. In der Pflicht ist aber nicht nur das Land NRW, sondern vor allem die Bundesregierung. Wir benötigen dringend gesetzliche Vorgaben, um den Eintrag von Arzneimitteln und Mikroschadstoffen in die Gewässer zu vermindern. Gleichzeitig brauchen wir noch stärkere Anreize für die Modernisierung unserer Kläranlagen.“

Neben der Verbesserung des ökologischen Zustands der Gewässer, dient die Ertüchtigung von Kläranlagen in NRW auch dem Trinkwasserschutz. Gerade der Wasserqualität entlang der Ruhr kommt unter dem Aspekt „Trinkwasser“ eine besondere Bedeutung zu. Denn die Ruhr ist Grundlage der Wasserversorgung für etwa 5 Millionen Menschen in NRW. „Wir haben bereits vor über fünf Jahren mit dem Programm Reine Ruhr eine Strategie für eine nachhaltige Verbesserung der Gewässer- und Trinkwasserqualität vorgelegt und eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt“, schilderte Remmel. „Das Filtern von Mikroschadstoffen und Arzneimittelrückständen bereits an Kläranlagen dient also auch direkt unserem wichtigsten Lebensmittel, dem Trinkwasser.“

Für die überwiegende Mehrzahl von Mikroschadstoffen gilt, dass sie einer allgegenwärtigen Verwendung unterliegen und damit insbesondere auch über kommunale Kläranlagen in die Gewässer eingetragen werden. Inzwischen liegen sowohl vielfältige Erkenntnisse aus Forschungs- und Entwicklungsvorhaben als auch aus Machbarkeitsstudien vor; mehr als 100 Machbarkeitsstudien an kommunalen Kläranlagen sind durchgeführt bzw. aktuell in der Ausführung. Hinzu kommen Erfahrungen aus der Praxis: 14 Kläranlagen in NRW haben bereits Technologien zur Eliminierung von Mikroschadstoffen wie Aktivkohlefilter und Ozonung auf freiwilliger Basis gebaut oder planen derzeit die Umsetzung.

Im Auftrag des Umweltbundesamtes hatte Prof. Dr. Erik Gawel vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) untersucht, welche Kosten durch die Kläranlagenerweiterung entstehen können und wie sich diese gegenfinanzieren lassen sowie welchen Beitrag bundesdeutsche Abwasserabgabe für eine Aufrüstung ausgewählter öffentlicher Abwasserbehandlungsanlagen der Größenklasse 5 leisten kann (ab 100.000 Einwohner). „Wir gehen davon aus, dass eine Bezuschussung in Höhe von 75 Prozent der Investitionskosten für die vierte Reinigungsstufe auf allen Kläranlagen der Größenklasse 5 rund 100 bis 130 Millionen Euro jährlich über einen Zeitraum von 15 Jahren erfordert“, erläutert Robert Holländer von der Universität Leipzig.

Damit dürften die Kosten je Kubikmeter Abwasser trotz Förderung in einem nennenswerten Umfang ansteigen und auch vom Gebührenzahler mitzutragen sein. Auf die Gebührenzahler in NRW dürften trotz Förderung noch 10 bis 15 Millionen Euro zukommen (wobei die kleineren Kläranlagen unberücksichtigt bleiben). Dass auch zunächst andere Wege zu prüfen sind, hat der Ruhrverband, selber Betreiber von Kläranlagen und „Vorlieferant“ der Trinkwasserversorger an der Ruhr, vorgemacht. Der Ruhrverband hat sich zu einer zwingenden Einführung aufgrund der damit verbundenen Kosten für die Bürgerinnen und Bürger kritisch positioniert, sieht gleichzeitig aber die Notwendigkeit, eigene Erfahrungen mit solchen Verfahren unter praktischen Betriebsbedingungen zu gewinnen. Dazu diente das Forschungs- und Entwicklungsvorhaben „Elimination von Arzneimittelrückständen in kommunalen Kläranlagen“, das der Ruhrverband als Projektleiter im Auftrag des nordrhein-westfälischen Umweltministeriums (MKULNV) mit mehreren Projektpartnern durchgeführt hat.

Quelle. u.a. https://www.umwelt.nrw.de/pressebereich/detail/news/2015-11-11/

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