Zwei Bürgerinitiativen für das Recht auf Wasser: Right2Water und Stop TTIP

In die Initiative Right2Water kommt neue Bewegung und sie erhält eine Schwester: Stop TTIP. Den Anstoß gaben am vergangenen Donnerstag die Mitglieder des Ausschusses für „Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit“ des Europaparlaments. Mit einer Resolution forderten sie die Aufnahme des Zugangs zu Trinkwasser und Sanitäreinrichtungen als Menschenrecht. Zudem erneuerten sie ihre Forderung, die Trinkwasserversorgung EU-weit von einer Liberalisierung auszunehmen.

Wir erinnern uns: die Europäische Bürgerinitiative (EBI) Right2Water startete 2012 und sammelte von fast 2 Millionen Bürgern in einer bisher einzigartigen Aktion Unterschriften unter anderem gegen eine Privatisierung der Trinkwasserversorgung und für den ungehinderten Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen. Damit gewann die erste erfolgreiche europaweite Petition nicht nur ein breites Medienecho, sondern war auch mit ausschlaggebend dafür, dass die EU-Kommission ihre Pläne für die heftig umstrittene Ausschreibungsrichtlinie für Wasserkonzessionen verwarf. Aber, so erklären die EU-Parlamentarier jetzt in ihrer Resolution, die Reaktion der EU-Kommission sei völlig unzureichend und stelle das Instrument europäische Bürgerinitiative infrage. Zudem kritisieren sie die unbefriedigende Reaktion der EU-Kommission. Gefordert seien jetzt eindeutige Vorschläge für gesetzliche Regelungen und -falls erforderlich- eine Überarbeitung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Die Parlamentarier fordern zudem den Zugang aller EU-Bürger an die Trinkwasserversorgungs- und Abwassersysteme – losgelöst von dem zuständigen Wasserversorger oder Entsorger.

Beim Kernthema der Bürgerinitiative, der Wasserprivatisierung, gibt es ein eindeutiges Votum des Ausschusses gegen eine Einmischung der EU in die Eigentumsverhältnisse und gegen eine Einbeziehung der Wasserversorgung in das transatlantische Handelsabkommens TTIP. In der Plenarsitzung vom 7. -10. September 2015 Strassbourg soll dann über den Antrag beraten werden.

Das Anliegen ist berechtigt und der Zeitpunkt gut gewählt. Das Thema Wasser hat im Sommer mediale Hochkonjunktur – aber nicht nur dies. Denn es gibt ein Thema das sich mit Trinkwasser mindestens im für die öffentliche Wahrnehmung verknüpfen läßt und so zur politisch schlagkräftigen Symbiose beiträgt: TTIP.

Doch der Reihe nach:

  1. Auch die Vereinten Nationen befassen sich augenblicklich mit dem Thema Wasser. Trotz aller Erfolge und der Zufriedenheit, weil von den ambitionierten Millenium Development Goals (MDG) gerade Wasser im Jahre 2012 als das erste Ziel Jahre vor Ultimo erreicht werden konnte, steht laut Schätzungen der UN immer noch knapp 0,8 Milliarden Menschen allenfalls kontaminiertes oder ungesichertes Trinkwasser zur Verfügung oder haben, wie in der Sub-Sahara-Region, sogar Rückschläge in Kauf zu nehmen. Die Jubelrufe sind definitiv verfrüht und das vermeintlich Erreichte nicht dazu geeignet, die Hände in den Schoß zu legen.
    Bevölkerungsanteil mit verbesserter Trinkwasserversorgung (Q: UN, 2014)
    Bevölkerungsanteil mit verbesserter Trinkwasserversorgung            (UN, 2014)

    Ein differenzierter Blick auf die regionale Betroffenheit ist unabdingbar, um nicht im Freudentaumel den Blick für die Benachteiligten zu verlieren und plötzlich die Bemühungen einzustellen.

  2. Kaum ein Tag, in dem die Zeitungen nicht über dürrebedingte Wasserknappheit berichten, sei es in Kalifornien, Pakistan, China oder Brasilien. Kaum eine Weltregion und keine Entwicklungsstufe sind ausgenommen. Auch wenn sich die Experten streiten ob der Klimawandel Schuld daran ist, unstrittig sind die Folgen. Allein Pakistan beklagt Tausende Tote durch die Dürre. Da können die Kalifornier sich noch glücklich schätzen, dass dort nur die Grünflächen betroffen sind. Wasserknappheit trifft alle. Die Wohlstandsunterschiede treten nur in dem Ausmaß und der Qualität der Gegenmaßnahmen zutage. Während die Entwicklungsregionen chancenlos sind, kaufen sich die US-Amerikaner intelligente Wasserzähler (Smart Meter), mitdenkende Toilettenspülungen, Bewässerungstechnologien oder machen mit Social Media und Apps das Wassersparen zum digitalen Happening.
  3. Ja, auch das Thema TTIP dominiert seit Monaten die Schlagzeilen der Tagespresse und die Protestnoten der Gegner aus allen politischen Gruppierungen. Jetzt hat sich auch hierfür ein europaweites Bündnis gebildet, das  Unterschriften gegen das transatlantische Freihandelsabkommen sammelt. Das Ziel der neuen Europäischen Bürgerinitiative gegen TTIP ist, in ganz Europa 2,5 Millionen Stimmen gegen das Handelsabkommen zu sammeln und die Unterschriften dann der Europäischen Kommission vorzulegen, die TTIP für die europäische Seite verhandelt. Viel zu tun hätte sie eigentlich nicht mehr: sie liegen bereits bei 91 Prozent der Zielmarke. Da ist es nur konsequent, dass die Parlamentarier mit ihrer aktuellen Resolution zu Right2Water die Forderungen der europäischen Bürgerinitiative auf die politische Agenda setzen und mit einem gekonnten Schachzug die europäischen Bürgerbewegungen miteinander verbindet. Wird doch damit den transatlantischen Verhandlungsführern eine noch stärkere Macht der Bürger vor Augen geführt. Schliesslich wird von vielen auch bei TTIP befürchtet, dass die Wasserversorgung auf dem transatlantischen Handelsplatz geopfert werden soll (auch wenn der größte US-amerikanische Wasserversorger American Water noch viel Potenzial auf dem Heimatmarkt sieht). Wie dem auch sei, die Themen passen ebenso zusammen, wie die Bedrohungen: es geht um den intransparenten Ausverkauf des Wassers und der Rechte daran. „Gemeinsam sind wir stark!“, lautet daher die Parole.

Jetzt wird man gespannt sein dürfen, wie die Europäische Kommission auf die gewaltige Allianz der europäischen Bürgerschaft gegen TTIP und für das Recht auf Wasser reagiert. Ignorieren wird sie sie jedenfalls nicht können. Ob sie allerdings bereit ist, bei TTIP noch einen Rückzieher zu machen, wird von der politischen Gegenwehr und der Haltung der Bundesregierung abhängen. In Sachen TTIP gibt es dabei jedenfalls denkbar kurze Wege: vom Prenzlauer Berg, dem Sitz der Bürgerinitiative, bis zum Kanzleramt sind es nur wenige Minuten.

Das Thema Wasser kann Massen bewegen. Der „Zugang zu Wasser für alle“ bleibt auf der Agenda! Stillstand darf es nicht geben. Die europäische Bewegung muss weiter gehen, aber der globale Blick zeigt uns, dass die wahren Herausforderungen ganz woanders liegen. Es sind jene Regionen der Welt, die eigentlich immer zu kurz kommen. Dort haben die Menschen keine Chance, allein mit Unterschriften für ihr Recht auf Wasser zu kämpfen.

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