Neuausrichtung der Wasser-Kommunikation: die Systemleistung

Braucht die deutsche Wasserwirtschaft einen Neuausrichtung der Wasser-Kommunikation? Sollte neben der „Wasserqualität“ die „Systemleistung“ als Gegenstand der Kommunikation hinzugezogen werden? Was spricht für diese Neuausrichtung?

Seit Jahrzehnten weist die deutsche Wasserwirtschaft auf ihre hervorragende Trinkwasserqualität hin. Dabei ziehen die Versorger die Wahrnehmung von Konsumenten und Öffentlichkeit fast ausschließlich auf das Produkt wie es aus der Leitung kommt und für den Kunden sichtbar wird. Auch wenn das im Grundsatz nicht in Frage gestellt werden soll, so greift diese Fokussierung doch eigentlich zu kurz. Die Vorhalteleistungen beim Versorgungssystem, also insbesondere die der Wasserwerke und der Leitungsnetze, verdienen eine angemessenere Würdigung.

Kosten-/Entgeltstruktur und Dilemma der Versorger
Erster Ausgangspunkt der Überlegungen sind die wegen unterschiedlicher Wasserpreis- und Kostenstrukturen erforderlichen Anpassungserfordernisse. Der durchschnittliche Fixkostenanteil beträgt in der Wasserwirtschaft rund 80 Prozent. Dagegen dominiert der Mengenpreis das Wasserentgelt wie Untersuchungen des Bundesverbandes der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zeigen. Der Anteil der fixen Grundpreise beträgt somit mal gerade durchschnittlich 12,5 Prozent. Diese Preis-/Kostenstruktur führt zu einem Dilemma der Wasserversorger, denn der mit dem Mengenpreis bewertete Wasserverbrauch trägt fast die ganze Last der Kosten. Der aus dem überproportional hohen Mengenpreisanteil resultierenden, auf Ressourceneffizienz abzielende ökonomische Anreizmechanismus verstärkt angesichts rückläufiger Wassernachfrage die Gefahren von Kostenunterdeckung und Preissteigerungsspiralen. Das können weder Kunden noch Wasserversorger wirklich wollen.

Was kann getan werden? Notwendige Massnahmen wie Wartung, Instandhaltung und Erneuerung des Versorgungssystems, also Wasserwerke und Leitungsnetze, verursachen hohe Fixkosten. Da sich die Nachfrage schneller reduziert, als sich die Kosten anpassen lassen, fehlen mit jedem Kubikmeter wertvolle Deckungsbeiträge. Die Erlöse gehen zurück. Die ökonomische Tragfähigkeit der Systeme wird bedroht. Es muss selbstverständlich technisch, aber auch ökonomisch gegengesteuert werden. Da das Gros der Kosten aus Investitionen und Betrieb der Infrastruktur resultiert, ist es doch nur konsequent, wenn auch Preise und Kommunikationsstrategien auf die Systemvorhalteleistungen ausgerichtet werden. Die Kunden werden es mittragen, wenn man ihnen erklärt worum es geht.

Innovative Preismodelle und Kommunikation bei ihrer Einführung
Bei der Preissystematik haben die ersten Versorger gehandelt: der Mülheimer Trinkwasserversorger RWW hat zum 1.1.2012 den Systempreis eingeführt. Der Fixpreisanteil wurde auf 50% angehoben und die Bemessungsgrundlage vom Zähler auf Wohneinheiten umgestellt (Tarifbroschüre). Auch andere Versorger haben sich bereits in diese Richtung orientiert und werden nach und nach ihre Fixpreise anheben. Diese Maßnahmen konnten nur deshalb ohne Aufschrei der Kunden gelingen, weil der Versorger den Kunden das Verhältnis von Leistung, Kosten und Entgelten transparent kommuniziert hatte – ein Erfolgsfaktor des Systempreismodells. Kunden nutzen auch dann das System, wenn sie gerade kein Wasser abnehmen – Dank der Vorhaltung. Und auch die muss bezahlt werden, wenn kein Wasser fliesst. Die Kunden sind verständnisvoller als manche Versorger glauben. Gerade in Zeiten demografischen Wandels und anhaltender Nachfragerückgänge ist dieses Verständnis für Nutzung und Kostenverursachung von elementarer Bedeutung für Kundenzufriedenheit und Kostendeckung. Die Stadtwerke Aschersleben in Sachsen-Anhalt und ein Wasserversorger in Südwestfalen werden zum 1.1.2014 denselben Weg beschreiten – und haben auch ihre Kommunikation auf die Systemleistung ausgerichtet.

Grundsätzliche Neuausrichtung der Wasserkommunikation
Sollte nicht die gesamte Wasserbranche auch losgelöst von Preisumstellungen ihre Kommunikation um Systemleistungen ergänzen und neu ausrichten? Viel spricht dafür. Blicken wir in andere Branchen. Die Energiewirtschaft zielt auch vor dem Hintergrund der Energiewende auf eine stärkere Akzentuierung der Systemleistungen ab. Hier hat die Öffentlichkeit verstanden, dass es im Grunde eines einzigartigen Zusammenspiels von Produzenten und Netzbetreibern und ihrer Systeme bedarf, wenn es um Versorgungssicherheit geht.

„Blackout“ könnte das Wort des Jahres werden, wenn der gleichnamige Roman zur Realität wird. Bei Strom haben die Verbraucher die Gefahr erkannt. In der Telekommunikation haben Erfahrungen das Bewusstsein geschärft. Mit „den Wert eines Systems erkennt man erst dann, wenn es nicht funktioniert“ hat sich T-Mobile im April 2009 in ganzseitigen Zeitungsanzeigen für einen eintägigen Systemausfall bei seinen Kunden entschuldigt. Auch in der Trinkwasserversorgung gehört das im Grunde fragile System in den Mittelpunkt der Wahrnehmung. Nicht umsonst ist die Wasserversorgung eine kritische Infrastruktur. Aber genau dort sollte auch eine Systemkommunikation bei Wasser ansetzen. Hier geht es nicht um Angst und Schrecken, sondern um Sensibilisierung und Stärkung der Wahrnehmung der Vorhalteleistungen.

Wir benötigen in der Wasserwirtschaft eine Kommunikation für die Systemleistung. All das muss eine neue Wasser-Kommunikation den Kunden und der Öffentlichkeit bewusst machen. Dann ist man sicher auch bereit, die zwingend erforderlichen Umstellungen von Preissystemen zu unterstützen.

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