Eine Streitschrift über das Wasser – Quer zum Strom

Ist Wassersparen sinnvoll? Welchen Wert hat Trinkwasser hierzulande und weltweit? Welchen Sinn oder Unsinn haben Privatisierungen. Das Buch „Quer zum Strom – Eine Streitschrift über das Wasser“ von Petra Dobner hinterfragt den Umgang mit Wasser in ökonomischer und ökologischer Hinsicht. Es möchte ein Bewusstsein dafür schaffen, dass und was sich in Bezug auf das nasse Element weltweit, aber auch hierzulande, ändern müsste.

In Deutschland zu Hause Wasser zu sparen ist Unsinn, erklärt die Autorin, Petra Dobner ist Professorin mit einem Lehrstuhl für Systemanalyse und vergleichende Politikwissenschaft an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Auch teures Mineralwasser in Flaschen zu kaufen ist Unsinn, die Qualität, klärt sie auf, dagegen schlechter. Auch wenn manchen Wasserversorger diese Logik freuen mag, in der letztendlichen Argumentation erhält der Aspekt der Energie beim Wassersparen zu wenig Würdigung. Zudem kann man leider nur schwer die zitierte Einschätzung teilen, dass das Wasser sparen in Deutschland bereits das Minimum erreicht hat. Der technologische Fortschritt gerade wegen des Energieverbrauchs bei Warmwasser und der Fokus der EU auf dieses Thema, wird weiteren Druck erzeugen. Hier hilft ein Blick in die EcoDesign-Richtlinie der EU sowie die Diskussion um die Wasserstrategie der EU.

Die provokanten Thesen, insoweit ist der Titel „Quer zum Strom“ sehr passend gewählt, lenken den ungemütlichen Rundgang, auf dem Petra Dobner die ökologischen Probleme Deutschlands beim Thema Wasser benennt, mit dem Thema Wasserprivatisierung die ganze Welt in den Blick nimmt und über die Würdigung funktionierender Abwassersysteme wieder nach Deutschland zurückkehrt.

Gut nachvollziehbar versucht sich die Autorin an einer Erklärung für die Zusammensetzung der Wasserpreise. Sehr anschaulich zerlegt sie die einzelnen Komponenten dessen, was der „auf der Strasse befragte Verbraucher“ unter Wasserpreisen versteht: Frischwasser-Mengenpreis, -Grundpreis, Schmutzwasser-Mengengebühr sowie Niederschlagswasser-Grundgebühr. Die von ihr ebenfalls angeführte Schmutzwasser-Grundgebühr ist leider noch Wunschdenken. Nur ein Bruchteil der Abwasserentsorger kennt dieses Entgeltelement zur Deckung der Fixkosten. Zwar beschreibt die Autorin das Kosten-Entgeltstruktur-Dilemma der Ver- und Entsorger und die aus anhaltenden Wassersparen resultierende Preisspirale, leider versäumt sie an dieser Stelle eine Auseinandersetzung mit der Notwendigkeit von Preis- und Gebührenumstellungen. Das hätte diesem Kapitel einen wichtigen Impuls gegeben.

Die Autorin setzt sich sehr eingehend mit den Industriestrukturen der Wasserversorgung in Deutschland auseinander. Diese Einleitung ist für die Beschreibung der Chancen und Risiken der beschriebenen Liberalisierungs- und Privatisierungstendenzen bei Wasser sehr wichtig. Leider stellt sie irrtümlich eine zunehmende Konzentration der Wasserbranche in Deutschland fest. Die Ursache mag ein nur kleiner Fehler bei der Übernahme der Zahl der Wasserversorger (WVU) in Deutschland gewesen sein. Das Statistische Bundesamt zeigt mit 6.065 WVU eine seit Jahren weitgehend unveränderte Zahl auf. Das Gegenteil dürfte sogar wahrscheinlicher werden: im Zuge der gegenwärtigen Rekommunalisierung wird in absehbarer Zeit die Zahl der WVU voraussichtlich sogar steigen, da eine Reihe von Kommunen ihre Konzessionen von benachbarten Stadtwerken nach dem Auslaufen der Verträge sogar zurücknehmen. Auch den Trend zur Rekommunalisierung und die dahinter liegende Motivation der Kommunen hat die Autoren für den Kontext offensichtlich für weniger wichtig erachtet. Das ist schade, eröffnet sich doch gerade an der Stelle ein Blick in die sehr ökonomische Denkweise mancher Politiker. Denn seit die Kartellbehörden sich des Preismissbrauchs der Wasserversorger in Deutschland angenommen haben, werden immer mehr WVU in neue bzw. alte Rechts- und Entgeltformen getrieben. Wie das Beispiel enwag Wetzlar anschaulich belegt, geht mit dem Tätigwerden der Kartellbehörden eine Rekommunalisierung der Wasserversorgung und eine Rückkehr ins Gebührenrecht einher. Hier wäre eine Auseinandersetzung mit der Motivationslage der Kommunen, sich der kartellrechtlichen Missbrauchskontrolle von im wettbewerbsfreien Raum eines Wassermonopols kalkulierten Preisen zu entziehen, durchaus angebracht gewesen.

Sehr eingehend setzt sich Petra Dobner mit den schutzwürdigen Gemeingütern Wasser und Umwelt auseinander. Dabei beschreibt sie faktenbasiert die negativen Einflüsse, seien es Arzneimittel aus den Haushalten, Gülle aus der Landwirtschaft oder Produktionsrückstände. Sie will aber nicht nur mahnen, sondern auch Lösungen anstossen. Hier kommt die Professorin zum Vorschein: sie erläutert mit einem kurzen Ausflug in die Wissenschaft, warum sozial-ökologische Steuerung so komplex ist und bei dem Gemeingut Wasser und Umwelt zum Scheitern verurteilt ist. Dies ist eine sehr hilfreiche Diskussion, zeigt sie doch das Dilemma, in dem sich die Bestrebungen zum Schutze der Umwelt verfangen. Aber sie gibt sich damit nicht zufrieden, sondern fordert uns alle zum Handeln auf: „Eine effektive und nachhaltige sozialökologische Steuerung wird angesichts des Klimawandels und zunehmender Schadstoffbelastungen der Natur aus diffusen Quellen zu einer dringenderen Aufgabe. (…) Neuere Ansätze politischer Steuerung richten ihr Augenmerk einerseits auf Modelle der Dezentralität und Ergebnisorientierung und setzen anderseits auf marktbasierte Instrumente.“ Soll heißen: keine darf sich herausreden – weder der Verbraucher, noch die Politik. Jeder Einzelne und wir als Gesellschaft. Dieser Aufruf zum Handeln sollte gehört werden!

Sehr hart geht sie mit den zumeist gescheiterten Privatisierungen in den Entwicklungsregionen der Welt ins Gericht. Leider überträgt sie diese Erfahrungen vielleicht ein wenig zu leichtfertig auf Deutschland. Denn anders als in Staaten wie Bolivien, Argentinien oder Indonesien darf man in Deutschland von einem funktionierenden Rechtssystem das frei von Korruption ist, ausgehen. Damit unterliegen hierzulande die öffentlich-privaten Partnerschaften einer Mitwirkung der Kommunen. Diese haben es somit in der Hand, über funktionierende Steuerungs- und Kontrollsysteme sowie Mitsprache bei Preisentscheidungen auf Disziplin der privaten Partner zu achten. Geschieht dies nicht, trifft sie ein Mitverschulden. Zudem geht jeder Privatisierung – nicht nur in den Entwicklungsländern – auch die Zahlung eines Kaufpreises voraus. Denn auch der kritisierten Wasserpreisentwicklung in Berlin ging ein Anteilsverkauf voraus, in dem die Renditebedingungen der privaten Investoren fixiert waren. Also sitzen die Verantwortlichen doch stets auf beiden Seiten des Verhandlungstisches. Zweifel daran, dass nur die Privaten verantwortlich für überhöhte Wasserpreise und das Scheitern von Privatisierungen sind, scheinen insoweit durchaus angebracht.

Insgesamt betrachtet darf diese Streitschrift mit ihren 84 Seiten im Kleinformat als sehr lesenswert und informativ bezeichnet werden, bietet sie doch insbesondere Wasser-Interessierten und fachlich weniger kundigen politisch Verantwortlichen und gesellschaftlich Engagierten einen guten Einblick in die Zusammenhänge der Wasserversorgung in Deutschland und fundierte Impulse zum Handeln. Dass sich die Autorin gegen die Wasserspar-Euphorie wendet, mag man ihr noch eher nachsehen, als den dann doch etwas zu ausgewogenen Blick auf die Rolle der Privaten. Aber wie immer im Leben: wo Licht ist, muss auch Schatten sein.

Erhältlich regulär in der Buchhandlung oder online beispielsweise bei Amazon: http://www.amazon.de/Quer-zum-Strom-Streitschrift-Wasser/dp/3803136474 oder zum „Studentenpreis“ bei der Bundeszentrale für politische Bildung
http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/182109/quer-zum-strom

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